Hundeerziehung
Kapitel 3: Immer wiederkehrende Begriffe in der Hundeerziehung
3.1. Abbruchsignal
Der Begriff Abbruchsignal ist nicht geheimnisvoll. Sie alle kenne ihn wahrscheinlich und jeder benutzt es, wenn auch nicht korrekt und wirklich in seiner Bedeutung. Es ist nichts anderes, als es aussagt: Abbrechen durch ein Signal, sei es Nein, Lass es . Aber ein Abbruchsignal muss in der Hundeerziehung und im Training ganz klar und sauber definiert, ausgeführt werden. Hundeanfänger neigen dazu, das Abbruchsignal im Kontext zu einer gerade nicht erwünschten Reaktion, Handlung einzusetzen. Leider werden dem Abbruchsignal dann auch noch Emotionen beigemischt, es werden Nein oder Lass es beispielsweise gereizt, launisch oder leicht aggressiv gezischt. So lernt der Hund, dass dieses Stress bedeutet und nicht, dass er diesen Stress mit seinem Verhalten hätte verhindern können. Und es ist nun mal auch so, dass der Hund eigentlich durch diese Unterbrechung seiner Handlung nicht gelernt hat, dieses Verhalten nicht wieder zu zeigen.
Ein Abbruchsignal muss daher sauber aufgebaut werden.
In der Hundewelt, gerade auch unter Hundetrainern und vermeintlichen Experten wird das Abbruchsignal kontrovers diskutiert. Einige verbinden mit dem Abbruchsignal negative Erfahrungen, die ein Hund machen soll, um zu lernen, andere wiederum finden es uneffektiv.
Unter normalen Hundehaltern wird ebenfalls über Sinn eines solchen Signals diskutiert. Einige meinen, sagen sie NEIN, meinen sie auch NEIN, egal, was der Hund macht und er solle gehorchen.
Dabei soll aber ein Abbruchsignal auch ein Notfallsignal sein. Eines, das so sicher trainiert wird, dass Sie Ihren Hund mit diesem Signal aus jeder Situation und aus jedem Verhalten holen können.
Wer von Abbruchsignalen spricht und diese richtig anwendet weiß, dass jedem Abbruchsignal eine Alternative folgt, folgen muss. Das heißt, um eine bereits verknüpfte Reiz-Reaktions-Kette abzubauen, muss es eine andere Kette als Alternative geben. Das alleinige Abbruchsignal reicht nicht aus, um den Hund zukunftsorientiert von Verhalten oder Handlungen abzuhalten. Jedes Abbruchsignal muss also eine Alternative bieten. Die meisten arbeiten hier mit einer Belohnung, die der Hund sonst nicht bekommt, in den meisten Fällen arbeitet man über das Futter. Nur dieses muss natürlich total bestechend sein!
Das Abbruchsignal, das Sie zukünftig verwenden möchten, sollte ein Wort sein, das Sie nicht täglich im Sprachgebrauch nutzen. Zudem sollte dieses auch immer gleich klingen, gleichwohl, welche Emotionen in Ihnen schlummern. Verwenden Sie ein Abbruchsignal nicht willkürlich bei allen Ihnen nicht zu Pass kommenden Situationen. Lenken Sie besser um. Beispiel: Ihr Hund entfernt sich in Richtung Wald – rufen Sie ihn zurück, Hund will zu einem anderen laufen? Rufen Sie ihn zurück, Ihr Vierbeiner möchte etwas vom Boden aufnehmen? Es ist nicht Pfui, aber er Sie können es sich zeigen lassen oder geben … Suchen Sie Alternativmöglichkeiten, Ihren Hund von etwas abzuhalten, benutzen Sie dabei nicht immer ein Abbruchsignal. Das ist ganz wichtig, um dieses wirklich sauber aufbauen zu können.
Im Übrigen ist die Arbeit mit Abbruchsignalen bei Jagdhunderassen schwerer als mit anderen Hunden. Die Jagdhunde machen völlig dicht und schirmen alle Außenreize während des Jagens ab. Befindet sich ein Jagdhund bereits in der Hatz, werden Sie es selten schaffen, sein Gehirn mit einem Abbruchsignal zu erreichen. Er ist geradezu hochkonzentriert und in seinem absoluten Element.
Wie kann ein Abbruchsignal trainiert werden?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, letztlich ist es immer gleich, nur Umstände, Beschreibungen sind unterschiedlich.
Wie ich bereits schon schrieb, muss ein Abbruchsignal vernünftig aufgebaut werden.
Wenn Sie sich nun also ein Wort definieren, dass das Abbruchsignal werden soll, muss
das Signal, das den Hund zum Abbruch seines derzeitigen Handelns bringen soll, für ihn ein äußerst Wichtiges sein. Denn es soll Ihren Hund ja von einer durchaus reizvollen Handlung unterbrechen. Er soll zu Ihnen umgehend zurück kommen und ein Alternativverhalten zeigen. Wählen Sie also ein Wort oder ein Geräusch, das Sie in solchen Situationen schnell rufen können und vor allem nicht mit negativen Konsequenzen verknüpft ist. Viele verwenden das Wort: „Hey!“.
Am einfachsten trainiert man das Signal, indem der Hund lernt, wenn er das Signal hört, wird eine Belohnung angekündigt, sprich: Signal bedeutet Belohnung. Zu Beginn arbeitet man vorzugsweise mit richtig gutem Futter, Leckerli; dieses kann später oder auch gleich, wenn es bei Ihrem Hund funktioniert, mit Lieblingsspielzeug oder anderen Aktivitäten wie Suchen oder Ähnliches besetzt werden. Das müssen Sie wissen, worauf Ihr Hund wirklich reagiert. Fakt ist, je besser die Belohnung, desto besser der Aufbau des Abbruchsignals.
Wichtig ist vielleicht auch anzumerken, dass Sie langsam und auch nur mit langsam steigender Ablenkung trainieren sollten. Selbst, wenn Sie der Meinung sind, eventuell sogar schon nach einem Tag Training, Ihr Hund hat es verstanden, hat er es aber noch nicht generalisiert. Also, lassen Sie sich und Ihrem Hund Zeit, umso höher ist der Erfolg. Trainieren Sie in kleinen Schritten mit kleinen Ablenkungen, verlangen Sie nicht gleich das Meiste!
Wie kann es funktionieren? Einige Beispiele:
Sie haben einen Signal vordefiniert, das Sie sonst nicht nutzen. (Viele Hundehalter kommen am besten zurecht, nehmen sie ein fremdsprachiges Wort, das sie im normalen Sprachgebrauch nicht nutzen).
Und so kann es gehen:
- Sie halten ein besonderes Futter vor, das Ihr Hund sonst nicht bekommt, aber eine hohe Motivation erzielt, folgen zu wollen, um an dieses Futter zu kommen.
- Sie beginnen mit dem Füttern, das Signal einzuführen. Das praktizieren Sie über einige Tage. Ist hier Hund bereits anwesend, wenn Sie das Futter reichen wollen, dann geben Sie Ihr Signal, stellen den Napf auf den Boden oder die Vorrichtung und geben dann das Futter frei.
- Nach einigen Tagen versuchen Sie einen Augenblick abzupassen, an dem Ihr Hund nicht in der Nähe der Futtergabe ist. Dann geben Sie das Signal, kommt der Hund, bekommt er das Futter. Da Hunde in der Regel einen festen Futterplatz haben, trainieren Sie nach ein paar Tagen indem Sie die Räume wechseln. Das heißt, Sie gehen bspw. ins Wohnzimmer, geben Ihr Signal , kommt Ihr Hund, bekommt er das Futter. Das trainieren Sie über Tage, aber immer wieder mit wechselnden Räumlichkeiten.
- Haben Sie diese Trainingseinheiten erfolgreich hinter sich, dann weiten Sie Ihren Trainingsraum aus. Lässt sich Ihr Hund also aus allen in Ihrem Wohnbereich befindenden Räumen abrufen, dann nehmen Sie den Garten hinzu, oder gehen Sie an einen Platz, an dem Sie keine Ablenkungen haben, also keine Jogger, Radfahrer, Menschen usw. Irgendwo werden Sie einen solchen Platz finden, seien Sie kreativ! Natürlich werden Sie hier nicht mit dem normalen Futter arbeiten. Aber aus dieser Trainingseinheit sind Sie ja auch schon raus. Nein, jetzt kommt Ihre ultimative Belohnung zum Tragen. Was auch immer – super tolles Leckerli, ein tolles Spiel, eine gemeinsame Aktivität, die Ihr Hund liebt – die Motivation, daran zu kommen, muss hoch sein!
- Nach und nach steigern Sie die Anforderungen, aber setzen Sie das Signal immer gut und gezielt ein, bis es wirklich sitzt und generalisiert wurde.
- Danach müssen Sie natürlich immer wieder mal auffrischen, dann allerdings unter auch weniger oder geringeren Ablenkungen, immer so, dass der Erfolg für beide Seiten einsetzt.
Worauf sollten Sie auch dringend achten? Dass Sie das Abbruchsignal nicht zu häufig einsetzen; der Hund nicht immerzu herangerufen wird. Sie sollten es daher, wenn es sitzt, immer auf langer Distanz und nur in sogenannten Notfällen einsetzen. Für das normale Heranrufen oder ähnliches, benutzen Sie bitte Ihre normalen Kommandos!
Wenn das dann alles klappt, kann man noch weiter trainieren. Dann gilt folgende Formel:
- Signal wählen
- Signal geben und Belohnung folgt
- Ablenkung steigern
- Umorientierung markern (beispielsweise durch Clickern, also ein Klick)
- Dem Abbruch folgendes Alternativverhalten abfordern
Anderes Beispiel:
Sie wählen als Signalwort ein „Hey“ und geben Ihrem Hund direkt (nicht länger als 2 Sekunden später) eine riesige und großzügige Belohnung. Üben Sie das mehrfach täglich mit einer Trainingseinheit von ca. 5-6 mal.
Üben Sie das Signal auf Spaziergängen, immer wieder mal zwischendurch, aber regelmäßig, sprich, täglich. Achten Sie dabei darauf, dass Sie immer dann erstmal draußen üben, wenn Ihr Hund keine Ablenkung hat, Sie können nach und nach steigern. Machen Sie langsam!!
Wenn Ihr Hund sich dann durch Ihr Abbruchsignal zu Ihnen kommt, um seine megatolle Belohnung zu bekommen, beginnen Sie dann mit dem Markern (durch Clickern). Sprich, kommt der Hund, unterbricht er seine Handlung, gibt es einen Click, erst dann die Belohnung!
Einem Abbruchsignal sollte immer ein Alternativverhalten folgen. Sitzt das Signal, belohnen Sie erst nach dem Alternativverhalten. Dann klappt auch das Abbruchsignal unter nicht vorhersehbaren Situationen.
Ein weiteres Beispiel
Traininieren des Abbruchsignals mit Futter in der Hand
Zuhause:
Geben Sie Ihrem Hund ein Stückchen Futter, indem Sie Ihre Hand vorhalten und bestätigen, dass er es fressen kann. Dazu können Sie sagen: Nimm oder du darfst – was immer sie nutzen (aber bitte immer nur ein gleiches Kommando). Wiederholen Sie dieses für etwa 5 mal.
Dann aber ist Schluss. Bei dem nächsten Stückchen des begehrten Futters, halten Sie Ihre Hand wie zuvor vor die Nase des Hundes, aber Sie bestätigen nicht, sondern Sie führen jetzt Ihr Abbruchsignal ein.
Das versteht Ihr Hund natürlich nicht, Sie müssen also eine Aktion folgen lassen. Die sieht so aus, dass sobald Ihr Hund an das Futter möchte, Sie sofort die Hand schließen und zwar solange, bis Ihr Hund nicht mehr versucht, an das Futter zu gelangen. Dabei wiederholen Sie Ihr Abbruchsignal.
Dann öffnen Sie die Hand und wiederholen erneut Ihr Abbruchsignal. Üben Sie das so lange, bis Ihr Hund auch bei geöffneter Hand nicht mehr an das Futter gelangen möchte. Geht das gut, erlauben Sie Ihrem Hund mit dem eingangs beschriebenen positiven Wort wie Nimm oder du darfst oder was Sie auch sagen wollen, das Futter, das Leckerli zu nehmen.
Üben Sie mehrfach am Tag und immer so lange, bis der Hund aufhört, an das Futter zu kommen.
Draußen
Jetzt verlagern Sie das Training nach draußen, mit reizvollerem Futter/ Leckerli.
So können Sie das Abbruchsignal in verschiedener Weise trainieren, sei es mit Futter auf dem Boden, mit Futter von Fremden, das Ihr Hund nicht von Fremden nehmen darf (Sie bestätigen dann und SIE geben ihm das Futter). Es funktioniert auch mit Bällen.
Nach dem Lesen dieses Artikels, hat mich meine Freundin, Anna-Lena Pilgram, kontaktiert und mir die Bedeutung und Umsetzung des Abbruchsignals aus der Sicht des Halters von Jagdhunden, gerade auch im Einsatz, nahe gebracht. Anna-Lena führt eine Meute und für sie ist das Abbruchsignal von enormer Wichtigkeit.
Hierzu hat sie folgendes angemerkt, dafür herzlichen Dank!
Stellen Sie sich eine eine Ampel vor! Es gibt den grünen Bereich, einen orangefarbenen und den roten .
Grün bedeutet: Freie Fahrt für unseren 4 Beiner,
Orange bedeutet: (das ist, was viele Hundehalter tun) eine Unterbindung, aber nicht in der vollen Konsequenz.
Rot bedeutet: das absolute Abbruchsignal bei Jagdhunden der Triller Down, beim Haushund beispielsweise das NEIN oder lass es.
Erklärung der Bereiche und der Kommandos:
Grün: alles ist ok
Orange: man macht den Hund aufmerksam und dirigiert ohne Stress und ohne Druck in die gewollte Richtung
Rot: Aufbau von Stress und Druck durch gelernte Abbruch Signale wie z. B. Trillerdowm bei der Hatz. Jedoch nach sofortiger Ausführung des 4- Beiners schaltet die Ampel sofort auf Grün und sämtlicher Druck weicht aus der Haltung und der Mimik des Hundeführers.
Bei uns wird der rote Bereich von Welpe an mit dem Trillerdown belegt, um alle Eventualitäten auszuschließen! Und Nein oder lass es sein gehört zum orangefarbenen Bereich, der konsequent aber ohne Stressaufbau auf den Hund Wirkung hat.
Zusammenfassend.
Ein Abbruchsignal ist wie ein SOS, ein Notrufsignal, das zum Einen Ihnen helfen kann/ soll, Ihrem Hund bei einer Handlung zu unterbrechen oder aber auch Ihren Hund aus einer gefährlichen Situation abzurufen. Es lohnt wirklich, dieses Signal sauber aufzubauen. Bei dem Training bedenken Sie bitte, es muss ganz langsam eingeführt werden, ganz langsam und total sauber. Es muss richtig verknüpft werden und wirklich in den einzelnen Trainingsetappen sicher sitzen, bevor sie die Messlatte höher ansetzen. Trainieren Sie bitte absolut emotionsfrei. Haben Sie schlechte Laune, lassen Sie es! Jede Trainingseinheit soll mit Erfolg schließen. Erfolgreich für Sie beide!
Ich wünsche Ihnen viel Spaß und Erfolg im Training.
Vorangegangene Beiträge zu dieser Artikelserie:
Einleitung: Hundeerziehung ohne Stress
Kapitel 1: Wie lernt ein Hund?
Kapitel 2: Fehler vermeiden in der Hundeerziehung
Weiterführende Beiträge:
3.2. Konditionierung
3.2.1 klassiche Konditionierung
3.2.2. operante Konditionierung oder instrumentelles Lernen
3.2.3. Gegenkonditionierung
3.3. Systematische Desensibilisierung
3.5. Extinktion
3.6. Positive und negative Verstärkung
3.6.1. Positive Verstärkung
3.6.2. negative Verstärkung
3.7. Strafe
3.7.1. positive und negative Strafe
3.8. Verstärker
3.8.1. Primärverstärker
3.8.2. Sekundärverstärker
3.10. Belohnung
3.11. Rückruf
3.12. Leinenruck
3.13. Korrektur
3.14. unerwünschtes Jagdverhalten
3.15. Verknüpfung
3.16. Freies Formen