3.5. Extinktion, auch Löschung
Extinktion ist sicher kein Begriff, der Ihnen geläufig ist und er wird im grunde auch in der Hundeerziehung gar nicht benannt. Aber wie alles, muss eine Methode einen Namen, einen Fachausdruck erhalten. Und es schadet sicher auch nicht der Allgemeinbildung zu wissen, was sich hinter diesem geheimnisvollen Fachausdruck verbirgt. Für uns in der Hundeerziehung spielt die Extinktion aber auch eine bedeutende Rolle. Denn in der Arbeit mit Verstärkern ist die Extinktion ein wesentlicher Bestandteil. Extinktion wird auch als Löschung bezeichnet.
In der Lerntheorie geht man davon aus, dass positiv verstärkte Verhaltensweisen weiter gezeigt werden, negative verstärktes Verhalten auf Dauer gelöscht wird. Das ist Inhalt der Extinktion.
Das bedeutet:
Verstärkten Sie ein bestimmtes Verhalten Ihres Hundes und geben diesem jetzt aber keinerlei Beachtung mehr, verschwindet dieses Verhalten (nicht für immer und ewig, es lässt sich auch wieder auffrischen und der Hund erlernt das dann rasant(„erneut“) schnell!). Es wird mit der Zeit einfach nicht mehr gezeigt. Man kann also sagen, dass Extinktion ein sogenannter Löschungsprozess einer erlernten Konditionierung ist. Bleiben also Verstärker aus, werden erworbene Assoziationen abgeschwächt und führen mit der Zeit zur kompletten Löschung. Man kann Extinktion auch so beschreiben, dass sie ein „Verlernen“ einer Reaktion, ein „Verlernen“ eines Verhaltens ist. Im grunde ist es eine Entkopplung der Reiz-Reiz- Verknüpfung, oder auch die Entkopplung einer Verknüpfung zwischen einem Verhalten und der Konsequenz daraus.
Anders gesagt:
Ihr Hund wird klassisch auf einen Pfeifton konditioniert (klassische Konditionierung). Verstärken Sie nun nicht durch einen unkonditionierten Reiz, oder aber Sie schenken Ihrem Hund keinerlei Beachtung -Ihr Hund muss immer ein Bestätigung, bzw. Anerkennung bekommen – , wird er bei Ertönen dieses Tons bald das Interesse verlieren und die erlernte Reaktion auf den Ton, nämlich das Kommen, wird wieder abgeschwächt, bzw. mit der Zeit auch gelöscht. Ihr Hund wird nicht mehr kommen, der Pfeifton ist für ihn kein auslösender Stimulus (Reiz) mehr.
Ähnlich verhält sich der Zusammenhang bei der instrumentellen Konditionierung. Hier erfolgt eine Löschung der erlernten Verhaltensweise, wenn Sie die gewünschte Reaktion auf etwas, das Sie von Ihrem Hund wünschen plötzlich nicht mehr beachten, nicht mehr verstärken.
Ein Alltagsbeispiel:
Sie haben einen Futtereimer mit Schwingdeckel. Ihr Hund hat dieses Futter immer riechen können und während Sie nicht im Haus waren, hat er durch einige Versuche gelernt, er muss nur mit der Schnauze den Deckel, also den Schwingdeckel bewegen, bis er an das Futter kommt. Er wird also jedes Mal belohnt, wenn er diesen Deckel öffnet. Auch hat er neu gelernt, nämlich, wenn der Futtertrog leerer wird, kommt er nicht mehr so gut an das Futter, aber der Bottich wird leichter und er kann ihn auch umschmeißen. Auch hier wieder toll gelernt und belohnt worden. Nun sind Sie aber dem Hund auf die Schliche gekommen und ändern die Situation. Sie kaufen einen anderen Futterbehälter, der so gesichert ist, dass der Hund nicht mehr an das Futter gelangen kann. Er wird dennoch versuchen, immer wieder daran zu kommen, bis er aufgibt, weil er keine Belohnung mehr für seine Bemühungen erhält. Das Futter bleibt als Verstärker aus. Das Ergebnis ist die Löschung dieses Verhaltens. Es ist für ihn uninteressant geworden, die Verknüpfung „probiere an das Futter zu kommen“ und „keine Chance“ wird dieses Verhalten löschen und er wird es nicht mehr zeigen.
Eine Extinktion dauert bei eigener Selbstdisziplin 21-28 Tage.
In der Verhaltenstherapie haben einige Hundetrainer immer wieder das Problem, den Menschen zu erklären, wie eine Extinktion vonstatten geht. Die Hunde lernen nahezu automatisch. Wir Menschen jedoch befinden uns immer in einem großen Wirrwarr an Gedanken und Gefühlen, die des Nichtverstehen, Nichtverständnis und Hinterfragen. Der wesentliche Punkt einer erfolgreichen Durchführung der Extinktion ist die Unnachgiebigkeit.
Ein Hundebesitzer muss ganz klar der Regel folgen, dem Hund niemals und zu gar keiner Zeit in einer Problemsituation das zu geben, worauf er spekuliert, nichts von dem, was er will, darf ihm gewährt werden. Hier liegt es in der Verantwortung der Hundetrainer die Menschen darauf vorzubereiten, wie ein Hund beim Ausbleiben des gewünschten Ergebnisses reagieren kann und/ oder wird.
Möchte man also im Bereich der Problemsituation und damit am Verhalten arbeiten, bedient man sich der verlässlichen Lerntheorien.
Sie sollten sich also hierzu bewusst werden und es auch verinnerlichen, dass ein Vorenthalten einer Belohnung (die Belohnung, die Ihr Hund als solche wertet) anfangs auch eine Erhöhung des Problemverhaltens mit sich bringen kann. Denn Ihr Hund erwartet eine Belohnung. Wenn diese nicht zu erhalten ist, kann ihr Hund aversiv, reagieren. Das heißt, er kann ganz klar eine Abneigung, eine Unlust zeigen, er ist zutiefst unzufrieden, was wiederum zu einer Verschlimmerung des Problems führen kann. Auch ist es möglich, dass Ihr Hund ganz anderes Verhalten oder aggressive Verhaltenstendenzen zeigt.
Ein weiteres menschliches Problem ist die Inkonsequenz seitens der Hundehalter. Sollten Sie nämlich schon mehrere Versuche gestartet haben, halbherzig, ein unerwünschtes Verhalten abzustellen, und bei „Teilerfolgen“ nur sporadisch, also ab und an, belohnt haben, wird es logischerweise länger dauern, um dieses Verhalten ganz abzustellen, bis ihr Hund aufgibt.
Auch sollten Sie in der Problemtherapie wissen, dass es immer auch mal Zeiten mit Rückfällen geben wird. Die positiven Ergebnisse werden immer mal wieder, in unregelmäßigen Abständen, von negativen, sozusagen Rückfällen, überschattet. Aber die Zeitabschnitte dazwischen werden immer länger.
Sie als Hundeführer müssen darauf wirklich achten, dass Sie in der Extinktion nicht nachgiebig sind. Denn jeder Fehlversuch wird Ihren Hund lehren, dass er nur nicht aufgeben darf, um an sein Ziel zu kommen.
Wenn Sie also genau wissen, was Sie erwartet, was Sie erwarten kann, womit Sie rechnen müssen und vorbereitet sind, standhaft bleiben und sehr diszipliniert sind, wenn Sie nun umfänglich über alle Eventualitäten informiert sind und zudem bereit, diszipliniert zu arbeiten, dann steht Ihrer Arbeit mit Ihrem Hund nach der Extinktionsmethode nichts mehr im Wege.
Ich möchte abschließend ein sehr klassisches und allseits bekanntes Beispiel geben:
Ein beliebts Thema zwischen Hundehaltern ist das Betteln des Hundes am Tisch.
Ist Ihr Hund noch ganz klein und süß, kann man sich vielleicht nicht immer dagegen wehren, dem kleinen Matz auch mal ein klitzekleines Leberwurstbrot zu geben. Nicht immer, aber ab und an. Der Winzling bekommt ganz sicher nicht jedesmal was, aber er guckt doch so lieb.
Grundsätzlich bekommt er aber nichts vom Tisch. Die Oma oder gern auch die Kinder können in Anwesenheit des Hundes nicht mehr „kleckerfrei“ essen und es werden alle Augen zugedrückt.
Grundsätzlich bekommt er aber nichts von Tisch. Erklärungen die fast jeder Hundehalter parat hat, wenns um das Betteln am Tisch geht.
Es kommt der Tag, da sind die Kinder aus dem Haus, die Oma kommt nicht mehr oft und das Gebettel von Ihrem Hund beginnt Sie massiv, zu stören. Nun soll durchgegriffen werden. Das ist natürlich schwer, auch für Ihren Hund. Er wird immer wieder versuchen, das ihm lieb gewordene Ritual aufrecht zu erhalten, denn er hat gelernt: Ich muss nur hartnäckig sein und es immer wieder versuchen, dann werde ich langfristig Erfolg haben.
Jetzt bleibt Ihnen wirklich nur die Möglichkeit, das Betteln konsequent zu ignorieren. Wie lange es nun dauert, bis er endlich mit der Bettelei aufhört, hängt davon ab, wie dieses Verhalten vorher verstärkt wurde.
Hier gilt:
Bei Festen, Feiern oder Besuch ein eindeutiges Verbot, zum Füttern Ihres Hundes auszusprechen.
So bin ich persönlich damit umgegangen.
Gab es Grillfeste oder ähnliches, hat jeder einzelne Besucher immer die Ansage erhalten, dass unseren Hunden nichts gefüttert wird. Natürlich gab es auch Ausrutscher, denn viele Menschen verwechseln dieses Verhalten des Fütterungsverbotes mit „Böser Hundebesitzer“ „Gutmensch lässt einen armen Hund doch nicht wie Hund leben“. Nun ja, aber dieser Gast hat die Party sozusagen verlassen müssen und wurde von mir auch nicht mehr eingeladen. Konsequenz ist nun mal in der Hundeerziehung das A und O.