Die Einteilung in Entwicklungsphasen beim Hund
Die Zeit des Lebens beginnt mit der Befruchtung der Eizelle und endet mit dem Tod.
Dies gilt auch für die Ontogenese – die Individualentwicklung.
Die Entwicklung von früh- hundlichen Verhaltensweisen wird nach Einteilungskriterien in Phasen eingeteilt, aber sie grenzen sich nicht durch festgelegte Zeitfenster ab. Entwicklung bedeutet kontinuierliche Veränderung.
Die Entwicklungsphasen beim Hund entstehen durch das physiologische, ethologische und morphologische Heranreifen (und der damit verbundenen Reizverarbeitung) und dem Entwickeln von Verhaltensweisen.
Diese Entwicklungsschritte sind innerhalb der Art sehr unterschiedlich. So gibt es deutliche Rassenunterschiede und differenzierte Anlagen des Individuums, aber auch unterschiedliche Umweltbedingungen, die sich auf den individuellen Entwicklungsablauf auswirken.
Ein Beispiel:
- Border Collie
1.Phase 1.-7.Lebenstag
2.Phase 8.-19-Lebenstag
- Labrador Retriever
1.Phase 1.-19-Lebenstag
2.Phase 20.-35-Lebenstag
Alle Entwicklungsphasen haben einen erheblichen Einfluss auf die anderen. Was in einem Entwicklungsabschnitt passiert, ist niemals unabhängig von dem, was vorher geschah und beeinflusst, was folgen wird.
Erlebtes und Ererbtes sind keine Gegensätze, sondern komplementär.
Durch ein Verschmelzen der genetisch angelegten Bereiche und der ständigen Auseinandersetzung mit der Umwelt, bilden sich Synapsen aus und entwickeln das zentrale Nervensystem. Das Individuum entwickelt sich.
Vegetative/Neonatale Phase (1. und 2. Woche)
Mit der Geburt beginnt das Leben in dieser Welt. In den ersten zwei Wochen seines Lebens schläft und trinkt ein Welpe 90 % des Tages. Er verdreifacht während dieser Zeit fast sein Gewicht und wächst schnell.
Seine Augen und Ohren sind geschlossen, die Interaktion läuft über den Tastsinn und Laute, vor allem Invantillaute.
Nach der Säuberung und Kontrolle durch die Mutterhündin, robbt der Welpe mit aller Entschlossenheit auf dem Bauch zum Bauch der Mutter, um sich dort an die Zitzen zu hängen und seine erste Mahlzeit einzunehmen.
Mit diesen ersten Schlucken der lebensnotwendigen Kolostralmilch, nimmt das Verdauungsystem seine Arbeit auf.
Ein Welpe wird mit verschlossenen Augenlidern und Ohren geboren. Auch sein Geruchssinn ist noch kaum ausgebildet. Wie also findet der Welpe zu den Zitzen? Welche Kräfte treiben ihn überhaupt an, das zu tun? Wieso weiß er,was er tun muss?
Sind Instinkte die Antwort?
Verhaltensbiologisch spricht man von Erbkoordinationen, die die komplexen und schwer durchschaubaren Instinkthandlungen unterteilen.
Eine Erbkoordination ist eine erblich festgelegte Bewegungsweise, die von bestimmten Umweltsituationen (Schlüsselreize) ausgelöst wird und dann zwanghaft und unbewusst abläuft.
Zu den Erbkoordinationen (umgangssprachlich Reflexe-oder instinktverankertes Verhalten) zählen das Saugen, der Milchtritt, das Suchpendeln, alle Invantillaute, das Kriechen und das Kontaktliegen.
Der neurologische Ablauf
Nervenzentren erzeugen ständig Impulse, die zum Ablauf der betreffenden Erbkoordination drängen. Diese werden von anderen Nervenzentren unterdrückt. Sobald über die Sinnesorgane (fühlen, riechen, schmecken, hören) ein passender Schlüsselreiz gemeldet wird, läuft die Erbkoordination ab.
Die Erregungsproduktion läuft stetig, dadurch stauen sich Impulse auf. Der Welpe wird sensibler und “wahlloser”, wenn längere Zeit kein Schlüsselreiz die Erbkoordination auslöst. Seine Reizschwelle wird geringer und seine Erbkoordination wird auch bei Reizen von geringer Intensität ausgelöst. Im Extremfall werden die angestauten Impulse ohne Schlüsselreiz entladen und der Welpe spult sein ererbtes Bewegungs- und Verhaltensmuster ab. »Leerlaufreaktion«
Ein Beispiel:
Die haarlose, warme, weiche, zapfenförmige Zitze ist für Welpen so ein Schlüsselreiz. Wird sie ihm über Sinnesorgane – in diesem Fall durch den Tastsinn – signalisiert, löst das eine Erbkoordination aus, nämlich das Umfassen der Zitze mit Maul. Der Berührungsreiz wird dann zum Schlüsselreiz, der eine Blockade aufhebt, das Saugen folgt.
Wenn über einen längeren Zeitraum, zwischen dem Mahlzeiten, kein “Zitzen-Schlüsselreiz” das Saugen auslösen konnte, nimmt der Welpe auch andere, weniger ähnliche Dinge als Impulauslöser an.
Z. B. einen menschlichen Finger, eine Trinkflasche mit Sauger usw.
Kommunikation
Welpen verfügen über eine Reihe von Infantillauten (Laute, die ausschließlich im frühen Lebensstadium vokalisiert werden) und zu den Jammerlauten gehören.
Z. B. bei
- Verlust der Zitze, des Körperkontaktes
- Isolierung/ Suchen der Mutter
- Hunger, Schmerz, Unwohlsein
Diese Laute sind für die Hündin Schlüsselreize. Sie säugt, wärmt und nimmt Kontakt zu ihrem Welpen auf. Fällt der Welpe aus dem Lager, stupst oder trägt ihn die alarmierte Mutter zurück.
All diese Erbkoordinationen sind sehr wichtig für das Überleben des Welpen.
Dazu gehören auch Bewegungsmuster:
Kreiskriechen
Noch blinde Welpen kriechen nicht geradlinig, sondern immer im Kreis. Es ist auch eine angeborene Verhaltensweise, um den Welpen im Lager zu halten und deutet nicht auf ein Koordinationsproblem hin.
Suchpendeln
Auf der Suche nach Wärme oder den Zitzen pendelt der Kopf und manchmal auch der Vorderkörper von einer Seite zur anderen.
Fellbohren
Liegt der Welpe am Bauch der Mutter, sucht er mit dem “Fellbohren” (Hochschieben der Nase unter dem Bauchfell der Mutter) das Gesäuge.
Abstemmen
mit den Hinterbeinen am Boden oder einer Umrandung des Lagers. Damit bleibt er an der Zitze und kann mit dem Kopf kräftig gegen die Milchdrüsen stoßen.
Dies und der Milchtritt (rythmisches Drücken der Vorderpfoten neben der Zitze) regt die Milchproduktion und den Milchfluss an.
Welpen in diesem frühen Entwicklungsstadium verfügen noch über kein Sozialgefühl und gehen Sozialkontakte noch nicht bewusst ein.
Das Kontaktliegen kann auch durch das Einkuscheln in eine Decke (an einen weichen Gegenstand (z.B. einem Teddy)) oder den Körperkontakt zu artfremden Lebewesen (z.B. dem Mensch) befriedigt werden.
Spürt ein Welpe seine Mutter oder seine Geschwister in der Nähe, tut er alles, um zu ihnen zu gelangen oder sie zu sich zu locken. Hierbei geht es aber weniger um Sozialkontakt, sondern vielmehr um Wärme, Schutz und Nahrung.
Ist ein Welpe isoliert von Artgenossen oder anderen Schlüsselreizen, bleibt er meist passiv.
Ein Sozialbezug existiert ebensowenig wie ein Interesse an der Umwelt. Diese erste pränatale Lebensphase ist eine Fortsetzung des unbewussten Lebens aus dem Mutterleib.
Die Pflege der Welpen
Die Mutterhündin produziert in den ersten 24 Stunden nach dem Geburtsbeginn eine abführend wirkende Kolostralmilch, durch die das Darmpech (Verdauungsrückstände aus der vorgeburtlichen Zeit) abgeschieden wird. Alle Ausscheidungen werden von der Hündin sorgsam abgeleckt. Sie massiert die Bäuche der Welpen mit ihrer Zunge, was den Stuhlgang und das Urinieren der Kleinen erleichtert. Außerdem säubert sie die Schnauzen der Welpen von Restmilch nach dem Säugen.
Oft sind die Geburt und die ersten Aufgaben danach so anstrengend und die Mutter so pflichtbewusst, dass sie das Wurflager oft erst nach 20 – 30 Stunden das erste Mal kurz verlässt.
Erfahrene Rüden versorgen ihre Partnerin mit Futter, womit er die Hündin auch milde stimmt, damit er sich den Welpen nähern darf. Er beteiligt sich sofort aktiv an der Welpenbetreuung/-versorgung, wenn sie ihn lässt, wobei er ebenso geschickt und fürsorglich vorgeht wie die Hündin.
Um den 10./ 13. Lebenstag öffnen sich die Augen und die äußeren Gehörgänge der Welpen. Visuelle und auditive Reize kann der Welpe jedoch erst gegen Ende der dritten Lebenswoche verarbeiten.
Die Übergangsphase (3. Woche)
In der dritten Lebenswoche entwickelt sich das auditive und visuelle Verarbeiten von Reizen.
Die Augen sind schon ein paar Tage geöffnet (nahezu alle Welpen werden mit blauen Augen geboren), aber die Sehfähigkeit entwickelt sich erst um den 17. oder 18. Lebenstag. Das exakte Sehen entwickelt sich in der dritten/ vierten Woche, die Gehirnleistungen müssen sich diesen neuen Reizen erst anpassen.
Diese Lebensphase vom reinen, völlig selbstbezogenen Saug- und Schlafstadium zum aktiven Entdecken der engeren Umwelt und zur ersten Kontaktaufnahme mit den Geschwistern, ist der erste Schritt zu dem vielschichtigen Sozialverhalten des erwachsenen Hundes.
Die Welpen interessieren sich immermehr für ihre Umwelt und nehmen ganz zaghaft daran teil.
Auch die auditive (das Hören) und die olfaktorische (das Riechen) Wahrnehmung scheint erst jetzt so richtig zu erwachen. Durchschnittlich ab dem 18. Lebenstag beginnen die Welpen, Gegenstände und Lebewesen abzuschnüffeln, vor allem die Geschwister, mit denen so erste Kontakte aufgenommen werden. Das erste gegenseitige Belecken und Benagen kann man jetzt ebenfalls beobachten. In diese Zeit fällt auch das erste Zufüttern durch die Elterntiere, sie würgen den Welpen einen Brei halbverdauter Nahrung vor.
Heute wird diese ursprüngliche Zufütterung nurnoch von wenigen Hündinnen ausgeführt, wobei Menschen diese “unsaubere” Sache oft unterbinden.
Schon nach der ersten Zufütterung lernen die Welpen, dass aus der Schnauze der Eltern Nahrung kommt. (Dies ist aber ebenso ein Schlüsselreiz).
Den Schnauzen der adulten Tiere kommen ab dem Zeitpunkt eine besonders hohe Aufmerksamkeit zu; sie belecken diese und bohren ihre Nasen in den Fang der Eltern, um an weitere Nahrung zu kommen. (Erbkoordination)
Diese Schnauzenberührungen (Anbetteln/ Maulwinkellecken) sind für beide Elterntiere Schlüsselreize, somit kommt es auf das Drängen der Welpen, oft zum Vorwürgen der Nahrung.
Das Anbetteln der zum Lager zurückkehrenden Alttiere wird zu einem Begrüssungs- und Zuneigungsritual, sowohl im innerartlichen Verband, als auch dem Menschen gegenüber.
Welpen, die nicht durch die Elterntiere zugefüttert wurden, führen ausschließlich das Maulwinkellecken aus.
Schlüsselreiz (Futterwürgen) —>Erbkoordination (Anbetteln mit typischen Bewegungen)
Aber dieser Verhaltensweise liegt auch eine der ersten Lernerfahrungen zugrunde.
Schnauze —> Nahrung
Welpen in dieser Lebensphase kennen keine Angst, aber die ersten Konflikte ergeben sich und somit wedeln sie manchmal leicht mit dem Schwanz.
Nun brechen auch die ersten Zähnchen durch, die Welpen beginnen an Gegenständen zu nagen.
Die Bewegungen werden immer koordinierter, die Muskeln kräftiger. Sie können nun sitzen und sowohl im Liegen, Sitzen und Stehen bei ihrer Mutter säugen.
Aus dem Robben, bei dem sich der Welpe mit den Hinterbeinen abstößt,wird ein wackeliges Laufen.
Um den 20. Lebenstag verlassen die ersten ihr schützendes Wurflager, meist rollen sie einfach raus und fordern nicht, dass die Mutter sie wieder zurückholt.
Oder sie versuchen der Mutter zu folgen, voller Neugier auf den Rest der Welt. Sie wollen entdecken, Wände, Spielzeug, Hände – einfach alles muss beleckt und beknabbert werden.
Leider gibt es nur selten die Möglichkeit, eine natürlich zusammenlebende Hunde-/ Wolfsfamilie beim erstmaligen Verlassen des Wurflagers zu beobachten.
In dieser würde die Hündin die nachfolgenden Welpen ignorieren, der Rüde würde sehr aufgeregt und voller Freunde zum Spiel animierend um sie herumspringen, sie stupsen oder auch anheben und wegwirbeln.
Er verletzt sie nicht, er folgt einer Erbkoordination.
Die Welpen werfen sich auf den Rücken, schreien meist laut – der Rüde wendet sich ab. (Dies ist eine Erbkoordination (Sozialsprerre), die “Aggression” sofort zu drosseln, wenn das Gegenüber beschwichtigt. Seine augenscheinlich grobe Spielweise lässt alle Welpen wieder schnell Schutz im Lager suchen, dorthin verfolgt er sie nicht. Dort ist es sicher.
Es handelt sich hierbei um eine Erziehungsmaßnahme. Die Hündin greift in diese Interaktion nicht ein ,korrigiert ihre Welpen aber in anderen Situationen sanft.
Die Welpen haben einiges gelernt:
- Die grosse Überlegenheit des Rüden in ganz einschneidender, vielleicht sogar schockartiger Weise erfahren.
- Das Lager ist nicht mehr die Welt, sondern der Schutz in einer manchmal schwierigen Welt.
- Sie entwickeln ein gesundes Misstrauen.
Es ist aber keineswegs so, dass die Welpen nun Angst vor ihrem Vater haben, er versteht es ,ihnen in der Zukunft Schutz zu vermitteln und ihnen die ersten Anzeichen von Aggression zu vermitteln, sodass sie im Laufe der nächsten Wochen adäquat darauf reagieren lernen.
Bei der künstlichen Rudelhaltung – also der alleinigen (aktiven) Anwesenheit der Hündin, übernimmt sie all diese Rollen und Aufgaben so gut sie es eben erlernt hat und es in ihren Erbkoordinationen verankert ist.
Die Grundhaltung der Eltern ist wohlwollend und geduldig.
Die Sozialisierungsphase (4.-12.Woche)
Einige Kynologen teilen diese Phase in zwei, die Prägephase (4. – 7. Woche) und die Sozialisierungsphase (8. – 12. Woche). Diese Entwicklungsschritte sind aber nicht zu trennen, auch wenn innerhalb der 4. – 12. Woche einige Veränderungen stattfinden, mit einem Höhepunkt zwischen der 6. und 8. Woche.
Zudem ist der Ausdruck “Prägephase” entwicklungsbiologisch nicht korrekt, da die Lernerfahrungen nicht unumlenkbar sind – es findet keine unveränderliche Prägung statt.
Die Sozialisierunsphase ist eher eine Anreihung von sensiblen Abschnitten, in denen der Welpe besonders einprägsam und nachhaltig lernt.
Alle Sinnesleistungen sind nun voll entwickelt und ermöglichen auch allmählich ein genaues Orten von Wahrnehmungen über Nase, Ohren und Augen.
Mit angespannter Körperhaltung werden Bewegungsvorgänge in der Umgebung aufmerksam verfolgt. Die Befähigung zur Fortbewegung reift in diesen Wochen rasch und entwickelt sich vor allem im Spiel zu größerer Schnelligkeit, Wendigkeit und Sicherheit. Die Schlafperioden werden kürzer.
Die Welpen saugen in der Regel bis zum Ende dieser Phase bei der Mutter; diese entzieht sich aber immer häufiger dem Drängen der Welpen, deren nadelspitze Zähnchen und Krallen Kratzer und Schmerzen am Gesäuge verursachen. Kann sich die Hündin nicht vor den Welpen an einen für jene unerreichbaren Ort zurückziehen, dann vertreibt sie diese knurrend vom Gesäuge.
Nun verfeinern sich soziale Verhaltensweisen.
Ab jetzt drücken sich innere Spannungen durch die Rute aus. (wedeln, einklemmen, starr halten)
Maulwinkelstoßen/ Maulwinkellecken (Ausdruck freudiger Zuneigung und Bindungsbreitschaft)
Es entstehen Konflikte im Spiel mit den Geschwistern und dem Fressen.
Fast alle mimischen, gestischen Ausdruckmöglichkeiten werden angewand
(Ohren anlegen ,Zähne blecken, Mundwinkel nach hinten ziehen, Pföteln, Schupsen, das Fell sträubt sich, Abwehrschnappen)
Kampfspiele unter den Geschwistern häufen sich, bei denen nicht nur die einzelnen Formen taktischer Bewegungsweisen geübt, sondern auch verschiedene Elemente des Ausdrucksverhaltens sichtbar werden. Es gibt nun Sieger- und Verliererspiele mit Rollentausch, wobei die sozialen Blockaden aggressiver Verhaltensweisen sowohl instinktmäßig als auch über die Erfahrung ausreifen.
Abwehrreaktion und Schmerzlaut im Spiel belehren den rüpelhaften Bruder (oder die Schwester), dass er (sie) zu weit gegangen ist. Dieser lernt dabei, seine eigenen Kräfte abzuschätzen und unter geeignete Kontrolle zu bringen.
Die Welpen haben noch eine starke Bindung zur Mutter und zum Wurflager, aber sie entfernen sich täglich etwas weiter vom Lager vor allem, wenn sie dabei den Eltern folgen können.
Neugier und Lerntrieb stehen im Vordergrund und kennzeichnen das gesamte Welpenleben. Alles wird erkundet und probiert, an allem Erreichbaren wird geknabbert. Sie erfassen ihre unmittelbare Umwelt.
Die Hundeeltern sind überaus duldsam, spielen aber recht grob mit ihnen – vor allem der Vater oder juvenile Verbandsmitglieder – die Welpen lernen schnell die notwendigen Beschwichtigungsrituale vorzubringen, ehe es zu Auseinandersetzung kommt.
Grenzen werden spielerisch erprobt: Ein Welpe läuft zum ruhenden Vater, baut sich vor ihm auf und vollführt sein Pfötchengeben unter lauten Angstschreien (die auch eine Aggressionshemmung darstellen). Dann beißt er den Alten blitzschnell in die Nase und läuft – man ist versucht, zu sagen: lachend – davon.
Ablenkungsmethoden werden auch angewandt, wenn ein Welpe einem Althund einen Futterbrocken wegnehmen will. Wenn der, erstaunt über das Getue des Welpen aufschaut, packt dieser flugs den Brocken und saust damit ab. Man kann natürlich Sozialverhalten auch so einüben.
Durch diese und ähnliche Dinge entwickelt sich zugleich ein festes Vertrauensband zu den Elterntieren, die die Welpen zum Ende dieser Phase häufiger disziplinieren. Z. B. knurren sie die Welpen an, wenn diese allzu lästig werden.
Die wichtigsten Ziele sind der Nahrungserwerb und das Erlernen des Sozialverhaltens.
In diese Zeit fällt meist die Übergabe des Welpen an seine Familie, idealerweise sollte das nach dem individuellen Entwicklungstand jedes einzelnen Tieres geschehen – das ist aber leider selten. Dieser Zeitpunkt liegt in der Regel zwischen der 8. – 11. Lebenswoche.
Der positive menschliche und arteigene Kontakt ist jetzt noch wichtiger als vorher.
Oftmals bekommen Hundehalter den Rat, “Nun muss der Hund alles erleben, womit er im Rest seines Lebens zu tun haben wird, wer diese Chance verpasst, kann das nie wieder nachholen”. Das ist so nicht richtig und führt oft dazu, dass Welpen ständig alles erleben sollen und damit hoffnungslos überfordert werden.
Vielmehr sollte der Welpe eine emotional positive Beziehung zum Menschen aufbauen und unterschiedliche Situationen positiv erleben. Es ist nicht wichtig, möglichst viel “Erleben/ Erfahren” in diese Wochen zu packen, sondern einiges zu erleben- aber unbedingt mit guter, schützender Führung durch den Menschen.
Rangordnungsphase (13. bis 16. Woche)
In dieser Phase zeigen sich die genetischen und bisher gefestigten Wesensanlagen deutlicher als bisher, aber auch das Entwicklungstempo ist nun sehr individuell.
Der Begriff “Rangordungsphase” ist irreführend. Nun wird nicht der Rang geordnet, vielmehr versuchen nahezu alle Junghunde durch List und Verstand, Taktik und Kraft ihre Vorteile und den Einfluss gegenüber anderen zu erfahren.
Der Mensch wird (hoffentlich) zu einem wichtigen Sozialpartner, an dem sich der junge Hund ausprobieren kann.
Die psychische Überlegenheit einer Partei und die Interaktion durch den Menschen ist ausschlaggebend für den Ablauf und die Lernerfahrungen und damit für die weitere Entwicklung des Hundes. (Näheres in “Die Aufgaben der Menschen”)
Die Junghunde benutzen all ihre Sinne um sich in ihrer Welt zu bewegen. Sie üben zu jagen durch das Spiel und kämpfen mit Artgenossen, anderen Tieren und Menschen. Ihre Kraft und Ausdauer nimmt stetig zu – allerdings sollte immer darauf geachtet werden, dass sie sich – gerade körperlich – nicht überanstrengen.
Das Wichtigste ist spielen!
Der Welpe erkennt in diesem Lebensabschnitt keineswegs mehr allein die körperliche Überlegenheit seines Gegenübers an, sondern sieht die Überlegenheit desjenigen, dem er sich unterordnen soll (in dessen Verband er sich einfügen soll) auf weit höherer Ebene. Er braucht eine Autorität, denn sie allein gibt ihm die Gewähr, dass Können und Erfahrung des Rudelführers sein Überleben absichern.
Diese Erkenntnis ist nicht von Beginn dieses Lebensabschnittes da, sondern reift in dieser Zeit allmählich heran und wird gegen Ende des vierten Lebensmonates klar. Dabei wird auch das Spiel nun nicht allein mehr zur selbstbezogenen Übung des Könnens, sondern unabhängig davon, auch zu einer gruppenbindenden Verhaltensweise, sowohl unter den Welpen als auch mit den Eltern und dem Menschen.
Der erwachsene Hund spielt mit uns ja auch nicht, um sein Können auszubauen, sondern als partnerschaftliche Übung. Die Freude liegt dabei nicht, wie im Welpenalter, an dem Entdecken des eigenen Könnens, an der Bewegung an sich, sondern an dem »Miteinander«. So wird das Spiel zu einem Teil der Gruppenbindung.
Die Aufgaben der Menschen
Zur Unterstützung der biologischen Entwicklung von Welpen.
Der physische und psychische gute Zustand der Mutterhündin ist die Grundvorraussetzung für die Versorgung und die Interaktion mit den Welpen.
Ebenso sind die Veranlagungen und der Gesundheitszustand beider Elterntiere vor der Verpaarung zu beachten. Im gewissen Umfang sind neurologische Anlagen, Krankheitsneigungen und einige Wesenszüge vererbbar.
Die Tragzeit der Hündin sollte der körperlichen Veränderungen angepasst sein und ihren Befindlichkeiten sollten in einigen Situationen Rechnung getragen werden. (z. B. ein erhöhtes Ruhebedürfnis).
Sie sollte grundsätzlich einen engen Kontakt zum Menschen haben und ihre Welpen in einer geschützen Gemeinschaft dem Verband zur Welt bringen können. Dies reduziert die Stresshormonausschüttung und erleichtert den Ablauf der Biokoordinationen (schützen, säugen usw.).
Die Vegetative/Neonatale Phase (1. und 2. Woche)
Kontakt zum Welpen
In den ersten 14/ 20 Tagen im Leben der Welpen, sollte der Züchter vor allem sanften Körperkontakt zu jedem Welpen aufnehmen. Dieser nimmt den menschlichen Geruch und die Berührungen als erstes wahr. Sie können zwar noch nicht hören, aber empfangen Schwingungen; daher ist eine Ansprache beim Streicheln wichtig. Dies schafft die Basis für eine Mensch-Hund-Bindung.
Fürsorge
Die Hündin sollte Schutz vor möglichen störenden Tieren oder Menschen bekommen und ihr sollte die Aufzucht zugetraut und überlassen werden.
Lediglich auf die Rahmenbedingungen muss man achten, z. B., ob sie sich um alle Welpen kümmert. Gerade bei großen Würfen oder einer unerfahrenen Hündin kommt es vor, dass ein /zwei Welpen ständig vom Gesäuge abgedrängt werden oder unbemerkt aus dem Wurflager fallen.
Pflege, Gesunderhaltung
Außerdem sollten die Welpen (anfangs jeden, später jeden zweiten/ dritten Tag) gewogen werden. Diese sollten ihr Geburtsgewicht bis zum 10. Lebenstag verdoppeln, bis zum Ende der dritten Woche verdreifachen.
Die Übergangsphase (3. Woche)
Kontakt zum Welpen
Auch in dieser Phase, sollte ein gegenseitiger Kontakt zu jedem einzelnen Welpen aufrechterhalten werden. Dazu zählen der Körperkontakt und die Ansprache. In die ersten Interaktionen sollte von Seiten des Menschen nur im “Notfall” eingegriffen werden.
- Nun kann die Konditionierung auf die Pfeife oder ein Heranrufen erfolgen, wenn der Pfiff/ das Rufen direkt vor der Futtergabe erfolgt.
- Beim ersten Verlassen des Wurflagers kann die erste Stufe der Sauberkeitserziehung beginnen. Diese sollte sich ausschließlich auf das Vermitteln der Lösestelle beschränken.
Der Welpe wird beim ersten Anzeichen der Lösung auf eine “Toilettenecke” gesetzt. Diese sollte in kurzer Zeit auch für die Welpen aus eigener Kraft zu erreichen sein. (2 – 3 Meter vom Wurflager entfernt, später vergrößert sich der Abstand, bis der Löseplatz draußen liegt.)
Wenn der Welpe sich löst, wird er überschwenglich gelobt.
Wichtig: Wenn der Welpe sich außerhalb des Löseplatzes löst, wird er nicht gestraft, erschreckt oder korrigiert.
Diese Verknüpfung ist selbst bei exakter Ausführung für den Welpen in diesem Entwicklungstadium nicht nachvollziehbar!
Fürsorge
Nun orientiert sich die Hündin wieder mehr nach außen, sie verlangt nun manchmal nach Auszeiten von ihrem Wurf und fordert Bewegung und Entspannung ein.
Pflege und Gesunderhaltung
Das Wiegen der Welpen kann, bei stetiger Gewichtszunahme, verringert werden auf 2 – 3 mal die Woche. Die Nabel sollten gut verheilt sein; in diese Zeit fällt die zweite Entwurmung der Mutter und ihrer Welpen.
Die Hündin braucht hochwertige und energiereichere Nahrung; bei auschließlichem Säugen von 6 Welpen ca 1/3 ihrer gewohnten Nahrungsmenge zusätzlich (je nach Größe der Welpen).
Sozialisierungsphase (4.-12. Woche)
Kontakt zum Welpen
Nun zeichnet sich immer mehr eine Beziehung zum Menschen ab. Der Welpe nimmt von sich aus Kontakt auf und spielt nicht nur mit Artgenossen.
Der körperliche und verbale Kontakt ist auch weiterhin sehr wichtig! Die Interaktion sollte auch weiterhin nicht gestört werden.
In diese Zeit fällt das Heranführen an Alltagsgeräusche und Situationen. (Staubsauger, Autofahren usw. – Faustregel – maximal eine sensible Situation pro Tag).
Dies sollte unbedingt dem Entwicklungsstand und der Reaktion jedes einzelnen Welpen angepasst werden. Wo ein Welpe neugierig reagiert, so kann dies für einen anderen schon eine Überforderung sein.
Die Endfamilie sollte einen aufbauenden Kontakt zu ihrem Welpen pflegen, wenn möglich, sollte dieser am Vortag der Übergabe letztmalig stattfinden. Der Welpe kann nun sanft, berechenbar und situationsbezogen korrigiert werden.
Fürsorge
Die Hündin schafft immer öfter eine Distanz zwischen ihr und ihren Welpen. Dies ist entwicklungsbiologisch bedingt, aber auch, weil ihr das Gesäuge oft weh tut oder sie Ruhe haben möchte. Sie braucht dringend eine Möglichkeit, um diese Distanz durchsetzen zu können, ohne sich ständig erwehren zu müssen.
Pflege und Gesunderhaltung
Das dritte Entwurmen und die erste Impfung stehen an, außerdem sollten die Welpen an regelmäßige Pflegemaßnahmen gewöhnt werden. (Ohren reinigen, Pfoten kontrollieren, bürsten usw.)
Rangordnungsphase (13. bis 16. Woche)
Kontakt zum Welpen
Bei dieser Phase sagt die Bezeichnung und auch viele Hunderatgeber etwas viel zu Radikales aus:
Dem Junghund muß nun klargemacht werden, wer der “Chef” ist.
Das ist so nicht richtig.
Sicher probiert jeder Hund seine Möglichkeiten und Grenzen aus, körperlich und auch im neuen Mensch – Hund – Verband; wie dies geschieht ist sehr individuell.
Aber das Begrenzen des Jundhundes sollte eher einer Führung ähneln, als einer Rangordnungsdemenstration. Grobheiten sollten dringend vermieden werden, auch, wenn der Hund zum x -ten Mal auf das Sofa springt. Für den Menschen ist dies eine Provokation, für den Hund ein Rangordungsspiel.
Die Verbindung zum Menschen sollte durch viel Körperkontakt, Ansprache und dem Vermitteln von Schutz gefestigt werden.
Das Lernen sollte mit einem deutlichen Fokus auf das Spiel liegen, lustvoll sein und Spaß machen (Hund und Mensch). Ich persönlich bin dafür, erst eine selbstgewählte “Vorstufe” zum Lernablauf zu erleben – wie eine Art Kindergarten für den jungen Hund.
Ziel dieser Vorstufe ist es, grob umrissene Verhaltensregeln zu vermitteln und neugierig auf das Leben zu machen.
Korrekturen und Begrenzungen sollten dringend im artgerechten und verhaltensbiologisch nachvollziehbaren Rahmen bleiben.
Fürsorge
Eben dieser Schutz gehört auch zur Fürsorgepflicht des Menschen gegenüber des jungen Hundes.
Nach dem Temperament, der individuellen Entwicklung und den Reaktionen des Junghundes, sollten alle Situationen moderiert werden.
Hierbei kann nur durch genaue Beobachtung der Unterschied zwischen Überbehüten und Überforderung erkannt werden.
Ein Beispiel:
Der Junghund reagiert sehr unsicher auf den herankommenden größeren/ älteren Hund. Der kleine versucht sich dieser “Gefahr” erstmal zu entziehen, hängt aber mit der Halsung an der Leine. Was wäre die Aufgabe des Hundeführers?
Einige bleiben stehen, reagieren nicht auf ihren Hund und lassen den großen Hund ran – gern begleitet mit den Worten “Der tut doch nix” – der Junghund erlebt seinen Menschen nicht als Hilfe.
Andere nehmen den kleinen sofort ruckartig auf den Arm und gehen oder führen ihn zu sich ran und streicheln (bestätigen) ihn in seiner Unsicherheit.
Die Aufgabe des Menschen ist es aber, dem Hund Schutz und Überlegenheit (der Situation gegenüber) zu vermitteln und ihn zu ermuntern, sich auf diese einzulassen.
Z. B. indem man den jungen Hund schützt (nah bei ihm hocken, hockend auf dem Arm halten) und die Situation gemeinsam durchsteht.
Schlechte Erfahrungen sollten minimiert werden. Deshalb rate ich immer, den Kontakt mit dem anderen Hundeführer zu suchen um abschätzen zu können, wie dessen Hund reagiert und auch in den Kontakt zu dem fremden Hund zu gehen (ansprechen).
Dies ist nur ein Beispiel, im Alltag gibt es viele …
- Die lauten Bauarbeiten lassen sich eher ertragen, wenn der Mensch Sicherheit gibt.
- Der Andrang von mehreren fremden Kindern sollte reguliert werden.
usw.
Pflege und Gesunderhaltung
Die Körperpflege des Hundes sollte natürlich weiterlaufen. In dieser Zeit liegt der Fokus aber auf der Vermeidung von Aufzuchtfehlern.
(Kein Treppensteigen, nicht unter den Vorderläufen anfassen beim Hochnehmen, hochwertige Ernährung usw.)
©Kathrin Danielowski