Angst/ Angstverhalten bei Hunden
Was ist Angst?
Definition und Ausprägung
Zeichen der Angst (Symptome)
Grundlose Angst? Fehlverknüpfungen
Erlernte Angst (Pawlowsche Hund)
Angstaggression
Ursachen der Angst
Genetische Disposition
Früherfahrungen
- (Unzureichende Sozialisierungsphase)
Fehlverhalten des Menschen
Erziehungsmittel
Grundlagen
- Bindung
- Kommunikation
- Vertrauen
Wege aus der Angst
Gegenkonditionierung (Extinktion)
Desensibilisierung
Medikamente
Passende Trainer
Inhalt:
- -Angst (Definition und Ausprägung)
- -Zeichen der Angst
- -Grundlose Angst?
- -Erlernte Angst
Was ist Angst?
Definition von Angst:
Angst gehört zu den phylogenetischen (natürlichen) Lebensschutzinstinkten. Sie tritt auf,wenn das Angstobjekt nicht bewusst, nicht greifbar oder nicht abwendbar ist.
Definition von Furcht:
Furcht bedeutet die Erkennung von Gefahren und das (automatisierte) Suchen von Lösungsmöglichkeiten zum Schutz oder Wegen zur Abwehr der Gefahr. (Flucht oder Abwehr bzw. Angriff). Furcht ist lebensnotwendig – Angst kann krank machen.
Im weiteren Verlauf wird zur Vereinfachung die Definition “Angst” als Überbegriff für beide Verhaltensmuster aufgeführt.
Angst ist ein vorgegebenes Reaktionsmuster, also eine natürliche Reaktion. Ein Schutzmechanismus, um Gefahren zu erkennen und adäquat darauf reagieren zu können. Dieses körpereigene Alarmsystem löst die Abläufe der “Kampf-Flucht-Reaktion” aus. Der Ablauf dieser ist höchst individuell. Auch gegen ein nicht erfassbares Angstobjekt (z. B. der Hund bleibt allein in der Wohnung), wird diese Reaktion ausgelöst.
Angstverhalten setzt sich aus verschiedenen Verhaltenskreisen zusammen, die sich auch überschneiden können. Hunde können diese nicht reflektieren und nicht bewusst dagegen arbeiten. Sie verfügen über keinerlei angstverhindernde Schutzmechanismen; sie können sich nicht äußern und man kann ihnen nichts erklären. Die Ursachen liegen meist tief und oft ist der Zusammenhang zwischen den Symptomen und dem Auslöser nicht (mehr) nachvollziehbar. Das macht die Angst und das Angstverhalten zu den größten Problemen der Caniden in der menschlichen Welt.
Man unterscheidet zwischen nützlichen Ängsten und behindernden Ängsten.
So ist die Angst eines Hundes vor Schlangen oder schnell fahrenden Autos nützlich.
Behindernd sind Ängste (Phobien), wenn sie aufgrund von Fehlverknüpfungen entstehen oder erlernt sind.
Kennzeichnend für eine Phobie ist, dass von dem Angstobjekt keine reelle Gefahr ausgeht. (z.B. Mann mit Bart, dem Staubsauger, Autofahren oder einfach ein Mensch).
Man spricht von einem Trauma, wenn die Verhaltensauffälligkeiten länger als 28 Tage andauern.
Zeichen der Angst
Körperliche/ akute Zeichen
- Aanlegen der Ohren
- Große Pupillen, weit geöffnete Augen
- Zittern
- Bewegungslosigkeit/ Erstarren
- Starkes Hecheln und Speicheln (auch ein Stresssymptom)
- Eingezogene, eng angelegte Rute
- Beschwichtigungssignale
- Kontrollverlust über Blasen-/ Darmschließmuskel
- Angstschweißabsonderung an den Pfoten
- Optische Verkleinerung des Körpers/niedrige Körperhaltung (durch ducken, Einknicken der Gliedmaßen)
- Drohgebärden
- Atemnot
- Erhöhte Pulsfrequenz
Körperliche/ langfristige Zeichen (psychosomatische Symptome)
- Durchfall
- Erbrechen
- Hautprobleme
- Wunden von Selbstverletzungen
- Bewegungsunfähigkeit bis zur totalen Lähmung (motorische Sperre)
Verhaltensänderungen/ akute Zeichen
- Nahrungsverweigerung
- Drohen, beißen (Angstaggression)
- Blickvermeidung
- Schreien, knurren
Verhaltensänderungen/ langfristige Zeichen (psychosomatische Symptome)
- Keine entspannten Körperpflegehandlungen
- Kein räkeln, Strecken, Schütteln
- Kein sozialer Ausstausch
- Kein Spielverhalten
- Interesselosigkeit, Wegfall von Erkundungsverhalten
- Selbstverletzungen
- Hochgradige Schreckhaftigkeit
- Hypersensibilisierung gegenüber Außenreizen
- Wach-Schlaf-Rhythmusstörungen
- Angstaggression
Pathologische (krankhafte) Stereotypen sind Ausdruck erheblichen Leidens (Apathie – Akinese/ Depression)
Sie werden mit erhöter Frequenz und Dauer bis zur totalen Erschöpfung ausgeführt. (Dadurch Ausschüttung körpereigener Opiate).
- Kopfpendeln
- Drehbewegungen
- Autoaggression
- Schwanzjagen
- Imaginäres Jagen
- Lecken bis das Fell weg und die Haut offen ist
Automutilation
- Befressen von Gliedmaßen/ Selbstverstümmelung.
Alle Symptome können, in abgeschwächter Form, auch Anzeichen für Stress sein – wobei Angst auch Stress verursacht; dies ist nicht gradlinig von einander zu trennen.
Viele Ängste von Hunden können wir nachvollziehen, weil die Angst angebracht ist oder wir den Blick auf schlechte Erfahrungen des Hundes haben. Gequälte Hunde, die erhebliche Schmerzen und/ oder erhebliche Leiden (nach Paragh.17 Nr.2 TierSchG) erleben mussten, spiegeln dies mit der ganzen Bandbreite von ängstlichem Verhalten wider; dies ist nachvollziehbar, wenn das Angstobjekt in unmittelbarem Zusammenhang zum Erlebten steht.
Aber muss ein Hund nicht Unterschiede von damals zu heute machen?
Und was ist mit den Hunden, die von klein auf in einer Familie sind, niemals “schlimme” Dinge erleben mussten und “plötzlich” (?) Ängste entwickeln?
- “Ist ein Radfahrer gefährlich?”
- “Ist ein Luftballon gefährlich?”
- “Ist eine Waschmaschine gefährlich?”
- “Wenn der Hund zuhause allein ist, ist das doch nicht schlimm, es ist seine vertraute Umgebung und es kann ihm nichts passieren … oder?”
- “Ich habe den Hund doch lieb, warum hat er Angst vor mir, ich tue ihm doch nichts … oder?”
- “Kann ein Hund grundlos Angst haben?”
Grundlose Angst?
Können wir Maßstäbe aus der menschlichen Angst-Erlebniswelt auf die unserer Hunde anwenden?
Wir wissen, dass von einem Mann mit Hut keine Gefahr ausgeht. Trotzdem gibt es viele Hunde, die Angst vor ihnen haben.
Wir wissen, dass von einem Gewitter keine Gefahr ausgeht – trotzdem haben viele Hunde Angst davor.
Die Angst von Hunden ist niemals grundlos. Sie ist weitaus häufiger die Motivation für das Handeln des Hundes, als man annehmen könnte. Sie ist zurückzuführen auf fehlende Sozialisierung und/ oder schlechte Erfahrungen,o ft auch Fehlverknüpfungen. Da Hunde sich nur stark eingeschränkt über ihre Ängste äußern können,i st es unsere Aufgabe diese zu erkennen und gemeinsam mit dem Hund abzubauen.
Erlernte Angst
Ist Angst erlernbar?
Ja,d urch klassische Konditionierung oder auch Fehlverknüpfungen. Ja, an dieser Stelle hole ich den Pawlow wiedermal raus …
Der Pawlowsche Hund
1905 hat Iwan P. Pawlow (russischer Physiologe) einen Versuch gemacht.
- Als erstes steht die Beobachtung, dass ein Hund (wie bei allen höheren Lebewesen) beim Anblick von Futter vermehrt Speichel absondert (zur Vorbereitung auf die Nahrungsaufnahme).
- Als zweites steht die Feststellung, dass der Hund bei dem Klang einer Glocke keinen vermehrten Speichel absondert. Warum auch?
Nun ließ Pawlow, immer zeitgleich mit der Fütterung, die Glocke klingeln. Nach kurzer Zeit machte er die Beobachtung, dass der Hund auch nur aufgrund des Klingelns der Glocke vermehrt speichelte, unabhängig vom Futter. Powlow hat damit den Nobelpreis bekommen. So einfach war das damals (Anm. des Verfassers )Er nannte es Konditionierung.
Mit diesem und ähnlichen Reaktionsmustern ist auch Angst erlernbar.
Ein Hund, der immer in den Keller gesperrt wurde, wenn seine Besitzer aus dem Haus gehen, wird auch in einem neuen Zuhause – vielleicht beim Anziehen der Schuhe – Angst empfinden, sich zu entziehen versuchen und womöglich mit Abwehraggression versuchen, das zu verhindern.
Wenn eine bestimmte Situation (z.B. Autofahren) gleichzeitig mit einer quälenden oder beängstigenden Wahrnehmung oder sogar Schmerz erlebt wird, werden diese Wahrnehmungen oft verknüpft.
Ein völlig harmloses Beispiel:
Der Welpe wird vom Züchter geholt,man fährt mit ihm im Auto nach Hause und dem Hund ist schlecht, weil er vorher etwas Verdorbenes gefressen hat. So kann er dieses schlechte Gefühl und die Bauchschmerzen mit dem Autofahren in Verbindung bringen und sich ab dem Zeitpunkt weigern, einzusteigen. Diese Angst (wobei hier eine Furcht vorliegt), wird eventuell durch weitere ungünstige Maßnahmen und die folgenden Fehlverknüpfungen gesteigert (wenn der Mensch den Hund zwingt ,anschreit und ähnliches).
Verknüpfungen (Klassische Konditionierung)
… sind sowohl nagativ als auch positiv möglich. Die Konditionierung auf z.B. den Clicker (akustisches Signal=positiv).
Hunde lernen hauptsächlich und am leichtesten durch Verknüpfungen, denn sie hinterfragen nicht und revidieren nicht ihre Meinung/ Einstellung; sie können nur neue Verknüpfungen herstellen. Sie verknüpfen Empfindungen mit Situationen, Dingen und Lebewesen. Für uns ist es manchmal schwierig, Verknüpfungen nachvollziehen zu können oder auch nur zu erkennen. Das können auch Geräusche/ Gerüche sein, die uns verborgen geblieben sind.
Nagative Fehlverknüpfungen
Verknüpft der Hund z. B. ein Ereignis mit Schmerz oder Schreck, lässt sich diese Einheit nur sehr schwer wieder auflösen und gegen konditionieren. Besonders fatal an negativen Fehlverknüpfungen ist, dass sie sich immer weiter auf immer mehr Dinge ausbreiten können. Bei sensiblen Hunden kann ein Trauma zum Selbstläufer werden und immer weitere Fehlverknüpfungen und damit soziale Einschränkungen nach sich ziehen.
Angstaggression … ist natürlich.
Fühlt sich ein Hund bedroht (objektiv oder subjektiv), versucht er in der Regel,s ich dieser Gefahr zu entziehen, zu beschwichtigen oder durch Drohgebärden abzuwehren.
Defensive Aggression/ aggressives Distanzdrohen
Die defensive Bedrohung hat einzig das Ziel, die Gefahr abzuwehren bzw. die Flucht-/ Wehrdistanz wieder herzustellen.
Anzeichen
- Aufstellen von Nacken-und Rückenfell
- Zähne blecken
- Runzeln des Nasenrückens
- Bellen, knurren
Löst sich die Situation durch keine der Abwehrstrategien auf oder unterschreitet die “Gefahr” sogar die Fluchtdistanz, setzt die Verteidigungsbereitschaft ein. Wird auch die Wehrdistanz unterschritten, wird sich der Hund mit seinen Möglichkeiten wehren (schnappen/ beißen/ kämpfen). Er schießt meist kurz vor und zieht sich wieder zurück, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
Fluchtdistanz: Ist eine individuelle Empfindung und gibt die Entfernung an, die ein Hund akzeptiert, ohne zu fliehen.
Wehrdistanz: Wird ebenfalls sehr unterschiedelich empfunden und gibt die Entfernung an, die ein Hund akzeptiert bevor er aktiv abwehrt.
Erlernte Aggression
Je häufiger ein Hund die Erfahrung macht, dass er bedrohliche Situationen durch aggressives Verhalten auflösen und/ oder gänzlich verhindern kann, desto geringer wird die Aggressionsreaktionsschwelle. Er wird dieses Abwehr-/ Angriffsverhalten häufiger und zielgerichteter einsetzen. (Angstbeißer)
Ursachen der Angst
- Genetische Disposition
- Rassedisposition
- Früherfahrungen/Sozialisierungsphase
- Fehlverhalten des Menschen
- Erziehungsmittel
Genetische Disposition
Konkrete Ängste sind nicht angeboren,a ber die Anlagen dazu, Ängste mehr oder weniger auszubilden, sind vererbbar. Hier ist eine falsche/ wahllose Belegung und Auswahl der (Zucht-)Hündinnen das Hauptproblem. Elterntiere, die eher zu ängstlichem Verhalten neigen, vererben dies an ihre Welpen weiter. Inwieweit ein Junghund diese Ängste/ Unsicherheiten ausbildet, hängt von vielen weiteren Faktoren ab. Hier ist eine verantwortungsvolle, fachlich fundierte, Zuchtauslese absolut erforderlich.
Rassedisposition
Die Höhe der Tendenz für Angst/ Unsicherheit hängt nicht nur vom individuellen Wesen eines jeden Tieres ab, sondern auch oft von der Rassenzugehörigkeit. Rassen, die auf einen sehr sensiblen Charakter und ein nervöses Temperament hin ausgelesen wurden, neigen deutlich häufiger zu angstbedingtem Problemverhalten. (z.B. alle Spanielrassen, Setter, alle Windhundrassen, Dalmatiner, Irish/ Shottisch Wolfshound).
Viele Hütehunderassen, die über Generationen hinweg auf ein besonders feines Gehör hin gezüchtet wurden, entwickeln tendenziell deutlich häufiger Ängste gegenüber lauten oder unbekannten Geräuschen.(z.B. alle Schäferhundrassen-auch Collies,Tervueren usw,Briard)
Nach der Genetik, ist die Früherfahrung ein sehr entscheidender Punkt bei der Individualentwicklung eines Hundes.
Früherfahrungen
Zustand der Mutter
Nur eine physisch und psychisch gesunde ,leistungsfähige Mutterhündin kann ihren Welpen einen optimalen Start ins Leben bieten. Die Kriterien sind:
soziale Körperpflege, Thermoregulation der Welpen, Körperschutz, Säugeverhalten und natürlich auch weiterführende Vermittlung von sozialen Kompetenzen.
Auch hier liegt die Verantwortung in einer verantwortungsbewussten Auswahl, Haltung und Belegung der Hündin.
Verlauf der Sozialisierungsphase
In einem Alter von 3-14/ 18 Wochen (das ist rassenabhängig und individuumsabhängig), erlebt ein Welpe seine sensible Phase – die Sozialisierungsphase. (Es gibt noch eine prägeähnliche Phase um den 9.Monat)
Physiologische (interne Regulationsmechanismen), ethologische und morphologische (anatomische) Entwicklungsschritte bilden die Grundvorraussetzungen für die Aufnahme sozialer Beziehungen. Zu keiner anderen Zeit in seinem Leben ist die Entwicklung für Umweltoffenheit so prägend. Diese Prozesse sind als Fundament sozialer Sicherheit und Verhaltensmuster sowie Verhaltenspräferenzen die Grundvorraussetzung. Von diesem Fundament aus kann sich der Junghund flexibel und angstfrei entwickeln.
Welpen sollten bis zur vollendeten 10.Lebenswoche bei der Mutterhündin und den Geschwistern bleiben. Sollten die Bedingungen dort aber sehr schlecht sein, wäre eine Abnahme bereits mit der 6.Lebenswoche gerechtfertigt, um Fehlentwicklungen des Tieres vorzubeugen.
Ab der 10. Lebenswoche sollte der Hund systematisch und feinfühlig mit möglichst vielen Reizen, denen er auch adult (ausgewachsen) begegnen wird, positiv besetzt in Kontakt kommen. (Kinder, Pferde, Autos, Geräusche, Wasser usw.).
Isoliert und reizarm aufgezogene Welpen entwickeln durch schweren sozialen Erfahrungsentzug, zwangsläufig Verhaltensstörungen (Fehlende Bindung zur Mutter und den Geschwistertieren, sowie zum Menschen und Außenreizen wie Geräusche, Gerüche und Erlebnisse).
Welpen aus Zwingeraufzuchten, die keine/ kaum ausreichende (z.B. Stummfütterung) oder hauptsächlich negative Umwelterfahrungen machen ,konnten/ mussten, bleiben nicht selten ihr Leben lang umweltunsicher.
Limitierende Faktoren wie Isolation, grobe Behandlung (dadurch Furcht/ Angst) und Lokalisationsdefizite (Erkennung-Verarbeitung von akustischen Reizen) in der stark bindungsfähigen Zeit, bewirken auch gegenüber dem Menschen eine Abnahme der Sozialisierungfähigkeit und steigern die spätere Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft.
Es geht auch hierbei um die Aufgabe des Menschen, die Weichen für die Qualität des Hundelebens zu stellen.
Auf eine unzureichende/ traumatische Sozialisierung lässt sich unter bestimmten Vorraussetzungen in gewissem Maße auch später noch Einfluss nehmen, jedoch lassen sich Versäumnisse und Fehler nur stark eingeschränkt umlenken.
Sozialisierungsstatus
Um den Sozialisierungsstatus eines Hundes zu erkennen, einschätzen und ggfs. in seinen Möglichkeiten angleichen zu können, ist es notwendig, den Hund in verschiedenen Situationen,z u verschiedenen Tageszeiten (bei Hündinnen auch Zykluspunkten) aufmerksam zu beobachten, ohne ihn zu überfordern.
Es geht um:
- Soziales Verhalten (gegenüber Artgenossen und Menschen)
- Meideverhalten
- Schreckhaftigkeit
- unsicheres/ ängstliches Verhalten
- Beschwichtigungssignale/ Drohsignale
Fehlverhalten des Menschen
Der Mensch kann im Prinzip zwei direkte Fehler machen, wenn es um Angst und Angstverhalten bei Hunden geht.
- Er löst die Angst aus
- Er verstärkt sie
Leider ist in vielen Köpfen noch das alte Erziehungsmuster für Hunde verankert.
- “Dem Welpen muß man gleich klar machen, wer der Chef ist. Am besten wirft man ihn bei Fehlverhalten auf den Rücken und drückt ihn auf den Boden.”
- “Wenn der Junghund seine Freiheiten ausnutzt und nicht hört, darf man sich keine Schwäche erlauben ,man muss grob und drohend sein. Nur dann sieht er den Menschen als Chef”.
(Misshandlungen habe ich jetzt bewusst weggelassen – das sind schon eindeutigere Maßnahmen, um Hunde zu brechen und ängstlich zu machen).
Die Reaktionen und Verhaltensentwicklungen des Hundes auf solch eine gefühllose Dressur sind vielfältig und reichen von ganz subtilen Veränderungen im sozialen Bereich bis zu stark ängstlichen Verhaltensweisen. Leider arbeiten auch viele “Trainer” in Hundeschulen heute noch mit Schmerz und/ oder Schreck, durch den der Hund unerwünschtes Verhalten beenden soll.
Beispiel:
Auch noch heute werden Welpen in ihre Exkremente getaucht, wenn sie sich in der Wohnung lösen. Sie wehren sich mit allen Kräften; dementsprechend hart müssen sie dabei gehalten und der Kopf gegen den Widerstand runter gedrückt werden. Entweder schadet dieses Vorgehen “nur” der Bindung, woraus sich weitere Probleme ergeben, die dann auch mit unverantwortlichen Methoden bekämpft werden, oder der Hund zeigt gleich Ängste. (Viele trauen sich nicht mehr in Gegenwart ihres Halters zu lösen und rechnen mit Übergriffen).
Hunde, die erschreckt oder brutal aus dem Spiel mit einem Artgenossen geholt werden, entwickeln oft Angst und Angstaggressionen gegenüber diesen (Fehlverknüpfung).
Ich würde mir wünschen, dass sich jeder Hundehalter möglichst früh mit der Psychologie eines Welpen, Junghundes oder erwachsenen Hundes beschäftigt, um ihn wirklich zu verstehen und für sich solche völlig überzogenen Maßnahmen ausschließt.
Hunde richtet man nicht ab. Sie sind keine Maschinen, die 100 % funktionieren (das wird heute oft erwartet, weil sie sich ja auch in unserer Welt bewegen müssen).
Die Frage ist auch nicht,wie viel Erziehung der Hund braucht, sondern von welchem Blickwinkel man diese angeht. Hier sind Authentizität und Konsequenz erforderlich und ausreichend. Authentizität, was das Auftreten und die verschiedenen Lebenssituationen betrifft. Konsequenz beim Einhalten der Regeln und der (hundgerechten) Umsetzung bzw. Durchsetzung dieser.
Verstärkung der Angst durch Fehlverhalten des Menschen
Unterstützung der Angst
Viele Halter versuchen (aktiv) ihre Hunde durch beruhigendes Sprechen und auch Streicheln zu beruhigen. Einige geben ihren Hunden auch besondere Futterstücke,bdamit es nicht so schlimm für ihn ist. Das kann aber ebenfalls zu Fehlverknüpfungen/ Bestärkungen führen. Hier ist passive Beruhigung durch Ruhe und klare Ansagen angebracht. Wenn möglich, sollte der Hund aus der Situation geholt werden.
Unter Druck setzen
In akuten Angstphasen kann ein Hund manchmal gar nicht auf die Bemühungen des Menschen reagieren oder diese richtig deuten, er fühlt sich zusätzlich bedrängt und die Angst weiter verstärkt.
Überfordern
Halter von ängstlichen Hunden fehlt oft das Verständins dafür, manchen ist es sogar unangenehm; sie wollen die Situation schnell beenden.
Viele Halter meinen “da muss er durch” hilft, doch eine Bestärkung und ein gemeinsames Durchleben einer kritischen Situation funktioniert nur bei leichtem Zögern des Hundes oder mit Fachkenntnissen, wenn die Angst neu auftritt und man das Angstobjekt positiv besetzen kann (Kleiner Reiz -l eichte Steigerung, Ordnung des Rudels, Vetrauensbildung). Wird der Stress und die Angst zu groß, kann leicht Angstaggression entstehen. Der Halter bestraft seinen Hund für sein Angstverhalten; die Ursache der Angst tritt in den Hintergrund und wird nicht gelöst.
Erziehungsmittel
Ich möchte hier alles umfassen, was Schmerz, Unwohlsein oder Schreck verursacht, und nicht direkt vom Halter zugefügt wird (wie grobe Übergriffe oder Bedrohungen).
Es geht um “Hilfsmittel”, die die Erziehung des Hundes vereinfachen und präzisieren sollen. Einige fallen unter das Tierschutzgesetz, deren Anwendung eingeschränkt oder ganz verboten ist, andere sind frei verkäuflich.
Für die angstauslösenden Systeme eines Hundes gibt es hier nur geringfügige Unterschiede, egal ob es sich um Rütteldosen, Würgehalsungen, Reizstromgeräte, Wurfketten/ Discs, Haltis, Sprüh-/ Tonhalsungen … handelt. Das Risiko der Fehlverknüpfungen ist sehr groß (nicht berechenbar, da kein Spannungsaufbau stattfindet). Die Folgen können dramatisch sein.
Bei einigen Erziehungsmitteln (Halti, Rütteldose, Wurfkette) kann die sachgemäße und gezielte Anwendung durchaus die Erziehung unterstützen, aber sie sollte sich nicht nur auf diese Möglichkeiten stützen.
Viele Hunde verknüpfen den Schreck oder den Schmerz nicht mit dem Jagen, sondern mit dem Jagdobjekt oder mit dem schnellen Lauf. Auch hier kann eine Verknüpfung mit den Artgenossen entstehen, in dem der Hund die Freude und den Ansatz zum Spiellauf mit dem Schreck verbindet.
Unabhängige Studien belegen, dass jeder zweite Hund nicht nur mit dem (gewünschten) Abbruchverhalten in der Situation reagiert, sondern Schreck oder Angst empfindet, unabhängig von einer fachlichen Konditionierung. Bei ca. 10 % dieser Hunde treten langfristige Verhaltensveränderungen auf.
Auch wenn die Erziehungsmaßnahmen bisher ohne offensichtliche Schäden durchgeführt werden konnten, so kann eine veränderte Lebenssituation oder hormonelle bzw. Wesensveränderungen zu einer ängstlichen Verarbeitung führen. Auch Trainer können dieses Risiko nur bedingt einschätzen und nicht ausschließen.
Grundlagen
Verstehen lernen
Die Grundvorraussetzung, um mit ängstlichen Hunden zu arbeiten, ist die gleiche, die man bei jeder Art Umgang mit Hunden beherrschen sollte -man muss sie verstehen lernen. Und zwar auf jeder Kommunikationsebene. Sowohl die Lautsprache (diese macht nur einen geringen Teil der Interaktion aus), als auch die Körpersprache und die Mimik. (optisches Ausdrucksverhalten). Die olfaktorische (geruchliche) bleibt uns leider verschlossen. Auch die Handlungen sind lesbar und deuten auf die individuelle Ausdrucksmöglichkeit eines jeden Tieres hin. Es gibt allgemeingültige (angeborene) Ausdrucks-/ Verhaltensweisen, aber auch erlernte, die bei jedem Hund verschieden ausgeprägt sind. D. h., man muss jeden Hund einzeln verstehen lernen. Man muss ihn als GANZES betrachten.
Das zweite und wahrscheinlich wichtigste ist, die eigene Körpersprache/ Lautsprache und deren Ausdruck für den Hund zu erkennen und anzupassen. Auch Ängste müssen verstanden und ernstgenommen werden. Nur eine klare, auf die Möglichkeiten des Hundes angepasste Kommunikation, kann eine Interaktionsebene herstellen und Missverständnisse ausschließen.
Absolut wichtig ist eine Basis des Vertrauens; der Hundehalter sollte mit Geduld, Ruhe und Verständnis auf den Hund reagieren.
Aufgaben sollten so beschaffen sein, dass der Hund sie nach kurzer Orientierung und eventuell leichter Hilfe, allein bewältigen kann. Der Mensch darf unterstützen, aber nicht fordern.
Routine und Rituale im Alltag geben Stabilität, sollten aber kein starren Rahmen umfassen. Gemeinsame Aktivitäten (Ausflüge, Spiele u. ä.) schaffen Bindung.
Vertrauen schaffen
Hundehaltung heute, sollte auf Vertrauen basieren – was heißt das?
- Hundehalter sollten ihren Hunden Unterstützung geben – in allen Bereichen.
- Sie sollten sie anleiten und Entscheidungen treffen.
- Diese mit Ruhe und berechenbar durchsetzen und ein verlässlicher Partner sein.
- Niemals dürfen wir unseren Hunden Schmerzen und Leid zufühgen.
Mit dem Grundvertrauen kann die Beziehung Mensch-Hund auch Missverständnisse, wie den versehendlichen Tritt auf die Pfote verkraften, ohne Schaden zu nehmen. (Oder die kurzfristige Unterbringung des Hundes, oder einen schmerzhaften Tierarztbesuch usw.)
Wir bekommen nur das Vertrauen eines Hundes, wenn wir es nicht verletzen.
Ein Beispiel:
Immer wieder treffen wir (meine Hündin-jung und wild und ich) auf Hunde, die aus den unterschiedlichsten Gründen unsicher sind oder sogar Ängste haben.
Sie gehen sehr vorsichtig und langsam an uns vorbei -fast, als wollten sie sich unsichtbar machen.
Frauchen ist schon mit schnellen Schritten vorrüber gegangen und wartet nun 5-10 Meter hinter uns, dass ihr Hund hinterher kommt – “Denn er muß da ja alleine durch”
Frauchen möchte mir damit auch gern zeigen, dass sie keine Befürchtungen hat und entspannt ist – man will ja keine Schwächen zeigen.
Ihr Hund muss allein durch die Situation.
Der kleine Knirps ist nun mit vielen Beschwichtigungen und mit den schlimmsten Befürchtungen an uns vorbei, blieb nur stehen, mit rasendem Herz, als meine Hündin ihn begrüßen wollte.
Was hat der Hund für ein Gefühl?
Er fühlt keinerlei Gemeinschaft mit seinem Frauchen- sie geht vor und lässt ihn – der ihr sonst immer vertrauen und folgen soll – allein -bringt sich in Sicherheit.
Fakt ist, ein Rudel bleibt zusammen!
Man muss den Hund nicht loben für jeden Schritt oder streicheln – man muss körperlich präsent sein, die Situation moderieren.
Das Frauchen hätte ihr Tempo verlangsamen und auch stehen bleiben sollen, um ihrem Hund das Gefühl der Verlässlichkeit zu vermitteln.
Sie hätte sowohl entspannten Kontakt zu uns – dem anderen Rudel – aufnehmen, als auch ihrem Hund Anweisungen/ Anleitungen geben können.
Also wir müssen präsent sein, ohne den Hund überzubehüten. Vertrauen erreicht man nicht mit Bedrängung und Zwangsberührungen.
Wege aus der Angst
Ich werde hier keine Anleitung zur Therapie eines Hundes geben, da ich keine Verantwortung für falsche Therapieansätze und Ausführungen übernehmen kann und möchte. Alle Therapien müssen der individuellen Beziehung von Hund und Halter, dem Angstverhalten, dessen Chronik und der Persönlichkeit eines jeden Hundes angepasst werden.
Gegenkonditionierung (Extinktion)
Die Wahrscheinlichkeit der Ausführung eines Angstverhaltens wird gesenkt, wenn sie nicht wieder (durch unsachgemäße Vorgehensweisen) verstärkt wird.
Der angstauslösende Reiz wird erst verringert oder abgestellt – darauf baut man ganz vorsichtig und sehr langsam auf.
Das Ziel ist, dass der Hund auf einen ehemaligen negativ wirkenden Reiz neutral oder positiv reagiert. (Umsetzen von Fehlverknüpfungen – neue Besetzung schlechter Erfahrungen) Die Vorgehensweise und die Intensität muss mit und in Absprache eines positiv arbeitenden Trainers/ Verhaltenstherapeuten erfolgen.
Desensibilisierung
- Eine Desensibilisierung orientiert sich an der persönlichen Leistungsgrenze des einzelnen Hundes. Sie darf niemals überschritten werden!
- Erfolge stellen sich nicht eher ein, je öfter eine Übung ausgeführt wird, oder wenn die Arbeitsschritte vergrößert werden.
- Allein die korrekte Ausführung und die genaue Einschätzung der Situation hilft und begleitet eine Therapie.
Wenn eine Gegenkontitionierung oder eine Desensibilisierung nicht fachgerecht ausgeführt wird, wird die Angst des Hundes verstärkt, dadurch können Bindungsprobleme, weitere Fehlverknüpfungen und Phobien ausgelöst werden.
Beide Therapien sind nur von ausgebildeten Trainern durchzuführen.
Z. B. Tonbandaufnahmen ( Gewitter, Feuerwerk) im Rahmen einer Desensibilisierung verstärken, falsch eingesetzt, die Geräuschangst des Hundes.
Nur wenige wissen, dass solche Aufnahmen niemals im ersten Drittel der Therapie zuhause abgespielt werden dürfen oder ignorieren solche Richtwerte.
Die Erschütterung des Vertrauens könnte enorm und irreparabel sein.
Leider ist es oft so, dass den Angsttherapien bei Tieren, generell wenig Anerkennung entgegen gebracht wird. Ihre Wertigkeit und ihre Dringlichkeit wird oft unterschätzt – auch in Hinblick auf den Verlauf und die Dauer.
Bei Menschen kann die Verhaltenstherapie (aufgrund einer Phobie) Jahre dauern, bei Hunden ist es in der Regel ein kürzerer Zeitraum, der aber auch voll genutzt werden sollte, denn das Tempo, den Verlauf und letztlich damit auch die Dauer, gibt immer der Hund vor.
In viele Fällen kann eine begleitende medikamentöse Therapie hilfreich sein.
Es gibt sowohl pflanzliche Medikamente als auch chemische.
Die Einstellung muss mit einem Tierarzt und in Absprache mit einem Verhaltenstherapeuten oder einem Trainer mit verhaltenstherapeutischer Ausbildung vorgenommen werden.
Passende Trainer/ Verhaltenstherapeuten
Grundsätzlich sollte auf die Auswahl eines Trainers für den Hund besonders geachtet werden. Egal ob man eine Welpengruppe aufsuchen oder den Grundgehorsam des Hundes festigen möchte.
Bei ängstlichen oder verhaltensgestörten Hunden ist die Auswahl der Fachperson äußerst wichtig.
Der Erfolg einer Angsttherapie steht und fällt mit den Fähigkeiten der Fachkraft.
Erstmal ist es wichtig, den “Trainer zu testen“.
In der Regel läuft ein Erst -oder auch Zweitgespräch mit (hoffentlich!) vielen Fragen an den Hundehalter ab. Vor allem sollte er alle Lebensphasen des Hundes ansprechen – Elterntiere, Aufzucht, juvenil (jugendlich) und adult (erwachsen). Sowie alle Lebensbereiche-Schlafplatz, Bewegung, Beschäftigung, Futter (Fütterungzeiten, Fütterungsablauf) usw. -auch, wenn hier nicht das eigentliche Problem liegt.
Aber wie viel weiß dieser von der “Fachkraft”?
Man sollte sich nicht scheuen und offen Fragen stellen.
Wichtig ist natürlich die Grundlage – die Ausbildung, alle Fortbildungen und möglichen Abschlüsse. (Bei ängstlichen /verhaltengestörten Hunden ist eine verhaltensbiologische/ verhaltenstherapeutische Ausbildung hilfreich – manchmal auch sehr wichtig).
Um die Antworten aber genau einschätzen zu können, braucht man Hintergrundwissen über die einzelnen Bereiche und Techniken.
Außerdem ist dies, trotz erfolgreicher (?) Teilnahme an Seminaren oder Fortbildungen, kein Garant für die Fähigkeiten und die korrekte Umsetzungen dieser speziellen Person. Deshalb lassen Sie sich über Therapiemethoden informieren -fragen Sie, “Was denken Sie darüber – wie würden Sie vorgehen?”
- Ein guter Trainer/ Verhaltenstherapeut wird alle Fragen gern und klar beantworten.
- Er sollte Unterstützer für den Halter sein und diesen nicht übergehen oder abdrängen bei dem Umgang mit dem Hund.
- Er muss problemspezifisch und individuell arbeiten – festgelegte manchmal sogar patentierte Methoden, sind das nicht.
- Er lehnt jede Form (!) von Zwang und Gewalt ab.
Jede nicht fachlich korrekte Manipulation kann zu weiteren schwerwiegenden Angst-/ Verhaltensproblemen führen.
Begleitende Literatur für Halter von ängstlichen Hunden
Uneingeschränkt empfehlenswert:
Das Aggressionsverhalten der Hunde
James O`Heare
ISBN 3936188106
Angst, Aggression und Kontrollverhalten
Hunde sind anders
Jean Donaldson
ISBN 9783440082225
allg Hundeverhalten
Und natürlich:
Calming Signals-die Beschwichtigungssignale der Hunde
Turid Rugaas
Beitrag: Kathrin Danielowski
2 Kommentare
Liebe Katrin , ich habe hier zwei junge Hunde , nun habe ich eine Hündin 7 Monate alt aus Rumänien als Pflegehund dazu genommen , sie ist sehr ängstlich und auch nach vielen Wochen ist es nicht möglich ihr ein Halsband oder eine Leine umzulegen . Unsere Hunde vermissen ihre Spaziergänge und obwohl sie auf einem großen Grundstück den ganzen Tag spielen können kann ich nicht spazieren gehen weil die pflegehündin wegläuft . Ich dachte das es bei einem so jungen Hund nicht so schwierig ist . Nun will die Vermittlungsstelle wissen ob ich den Hund behalten will oder sie ein Zuhause für ihn suchen sollen . Schließt sich ein so junger Hund vielleicht eher Menschen an wenn keine Artgenossen da sind ? Vielen Dank im Voraus für eine Antwort . Mit freundlichen Grüßen Barbara Haeusser
Liebe Frau Haeusser,
lassen Sie uns bitte telefonieren.
Nette Grüße
Birthe Thompson
P. S. ich sende ihnen per Mail meine Daten.
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