Horrortrip wegen eines möglichen Gen-Defekts?
Nebenwirkungen eines Medikaments schicken Hund auf einen Trip wie durch Drogen.
Wegen eines möglichen (noch) nicht diagnostizierten Gen-Defekts erleidet Rüde Pau eine Tortur. Massive Nebenwirkungen setzen Rüden Pau total außer Gefecht und lassen auch die Halterin durch die Hölle gehen.
Die Vorgeschichte:
Der Rüde Pau zeigte sich schubweise auffällig, nagte und biss an seinen Pfoten, ohne jegliche Hinweise auf Ursachen. Vermehrte Tierarztbesuche zeigten keine Ergebnisse. Ein letzterer Tierarztbesuch machte mich so wütend, das kann ich gar nicht in Worte fassen. Nach Aussage dieses Veterinärmediziners müsse die Halterin das Unwohlsein ihres Hundes hinnehmen, denn er wäre schließlich ein Auslandshund und diese Hunde seien ja nicht normal, da müsse man sich eben auch darauf einstellen, dass die auch was haben … Toller Tierarzt, oder?
Gut, nach zahlreichen Telefonaten und einer Terminierung bei einem anderen Tierarzt folgten eingehende Untersuchungen inklusive einer Blutuntersuchung. Diese ergab, auf der Suche nach etwaigem Milbenbefall einen erhöhten Titer, der auf Sakrobtesmilben (Räude) hinweisen könnte. Das würde auch den schubweisen Juckreiz erklären.
… Was dann passierte …
Nach Therapiebesprechung bekam Pau eine Spritze und zusätzlich ein Medikament, das genau eine Woche später von der Halterin zu verabreichen sei.
Wie besprochen, gab die Hundehalterin ihrem Rüden morgens um 7:15 Uhr das Medikament und fuhr zur Arbeit. Da ihre Hunde nicht ohne Aufsicht sind und von den im selben Haus wohnenden Eltern betreut werden, bekam sie auf Arbeit einen beunruhigenden Anruf etwa 6 Stunden später rein. Rüde Pau würde sich plötzlich panikartig verhalten. Die Mutter beschrieb das Verhalten, als würde der Junge halluzinieren. Es wurden die Fenster abgedunkelt, da die vorüberziehenden Wolken bei Pau Panik auslösten.
Wie auf Drogen durch Cydektin
Der Rüde, der seinen Platz auch auf der Couch hat, kam in absoluten Stress, da er nicht mehr wusste, wie er darunter kommen könne. Er setzte zum Sprung über den Tisch an.
Ein weiteres Verhalten, das auf einen sogenannten Trip hinwies, waren das Fliegenschnappen, wo gar keine waren. Er stand vor dem Tisch und starrte die Decke auf diesem an, um sich dann plötzlich total vor dieser zu erschrecken.
Die Halterin rief noch auf Arbeit beim Tierarzt an und fragte nach, ob es vielleicht sein könne, dass das Medikament eine solche Nebenwirkung hätte. Es wurde teilweise bejaht mit der Frage, ob Pau ein Collie sei – das wiederum konnte die Halterin verneinen, denn er ist ein Mischlingshund ohne Anzeichen auf eine Mischung an der ein Collie beteiligt hätte sein können.
Die Hundefreundin machte so schnell wie es ging Feierabend und fuhr nach Hause zu ihrem Vierbeiner. So musste sie auch feststellen, dass sich eine Ataxie einstellte, also ein Einknicken und Wegsacken der Hinterläufe. Pau konnte nicht mehr richtig laufen, sein Gleichgewichtssinn war völlig gestört. Ständig ist er irgendwo gegengelaufen, er war unruhig und in einem desolaten Zustand.
Wie auf Drogen durch Cydektin
Die Halterin telefonierte erneut mit der Tierarztpraxis und meldete sich an. Vorgezogen wurde Pau schnellstens vorgestellt und ja, es war höchste Zeit, denn dieser Rüde gehört zu den Hunden, die das Medikament nicht vertragen können. Schuld daran wird voraussichtlich ein MDR1 – Gendefekt sein, der bislang aber noch nicht festgestellt ist, da zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels dieser Vorfall gerade 3 Tage alt ist.
Als Pau vorstellig wurde, hatte der Rüde auch keine Pupillenreaktion mehr.
So bekam der Junge zunächst einmal einen Kortison und einen Entzündungshemmer
Pau ging es regelrecht schlecht und die Halterin machte sich endlose Sorgen. Zuzusehen, wie der eigenen Hund auf einem Horrortrip ist, möchte sicher niemand erleben. Den Kopf konnte der Rüde gar nicht ablegen, aber dafür wackelte er unentwegt, Sabberfäden hingen ihm aus dem Maul und alle Farbveränderungen und verschiedene Lichteinflüsse machten es dem Rüden unendlich schwer. Sogar der heimische Rasen war für Pau nicht mehr sicher, denn dieser hatte auch unterschiedliche Farbschattierungen und er floh iin Panik vor diesem. Auch in das Haus traute er sich nicht mehr – dem Rüden ging es richtig schlecht.
Zudem hatte Pau unendlichen Hunger und suchte ständig nach etwas Essbarem in seinem Futternapf.
Immerzu durchfuhren Zuckungen seinen Körper, er schmatzte und die endlosen Sabberfäden wollten kein Ende nehmen. Erst in der Nacht etwa 3:00 – 3:30 Uhr konnte der Junge etwas zur Ruhe kommen. Pau musste viel Wasser saufen, das er aber selbstständig nicht zu sich nehmen konnte, da das Wasser an sich so spiegelte, dass er panisch davor floh. So zog die Halterin immer wieder Spritzen mit Wasser auf und gab ihrem Rüden dieses direkt ins Maul.
Wie auf Drogen durch Cydektin
Etwa so um 3:30 Uhr konnte Pau etwas einschlafen.
Der nächste Tierarzttermin war dann um 10:15 Uhr. Pau hatte immer noch etwas Koordinationsschwierigkeiten und war zum Teil auch noch verwirrt, sein Allgemeinzustand jedoch war schon etwas besser. Der Tierarzt bescheinigte, dass er über den Berg wäre und somit fuhren Hund und Mensch nach Hause. Irgendwann kam der Rüde dann auch wieder zur Ruhe und schlief fast bis zum nächsten Morgen, bis auf kleinere Unterbrechungen durch.
Mittlerweile geht es dem Rüden wieder gut und er erholt sich schnell. Seine Halterin wird das wohl so schnell aber nicht vergessen.
Was war das nun aber für ein Medikament und warum hat Pau so derart darauf regiert?
Das Medikament heißt Cydektin.
Das Cydektin birgt bei Hunden mit dem Gen-Defekt MDR 1 die Gefahr auf eine schwere Arzneimittelvergiftung, die auch zum Tod führen kann.
Bei dem MDR1 – Gendefekt gelangt der Wirkstoff über das Knochenmark direkt ins Gehirn. Schuld daran ist die fehlende Synthese des Proteins P-gp. Aber genau dieses Protein ist dafür verantwortlich, dass die Blut-Hirn-Schranke funktioniert. Aber der MDR1 spielt auch eine andere wichtige Rolle im Organismus. Denn auch im Darm, Leber, Niere schützt er vor der Aufnahme giftiger Stoffe. So schützt MDR1 eben auch die Zellen vor schädlichen Stoffen.
Fehlt nun der Transporter, also der MDR 1 , kann es bei Hunden mit diesem Gendefekt bei Aufnahme einiger Medikamente zu starken neurotoxischen (giftigen – Nervengift), nephrotoxischen (Nieren schädigend) oder hepatotoxischen (Leber schädigend) Nebenwirkungen − bis hin zum Tod – kommen.
Es gibt Hunde(rassen), die von diesem Gendefekt betroffen sind.
Hierzu gehören (Quelle: Tierarztpraxis Rötger – Veterinämedizinisches Zentrum Berlin):
Collie, Kurzhaar, Collie, Langhaar, Longhaired Whippet, Australian Miniature Shepherd, Shetland Sheepdog, Silken Windhound, Australian Shepherd, Weißer Schäferhund, Old English Sheepdog, English Shepherd, Deutscher Schäferhund, Border Collie, Hütehund Mixe, Mix, allgemein
Nun gehören nicht nur die gerade aufgeführten Hunderassen zu den gefährdeten Gruppen, denn wie Sie lesen und anhand des Berichts über Pau, wissen Sie jetzt auch, dass Mixe betroffen sein können. Haben Sie nun auch einen Hund in Ihrer Familie, bei dem Sie nicht wissen, welche Rassen genetisch vertreten sind, dann sollten Sie vielleicht doch mal einen Gen-Test machen lassen. Hier ist der Test auf eine MDR1-Mutation dringend anzuraten.
Denn für diese Hunde, also Hunde mit dem MDR1-Gendefekt sind noch andere Medikamente/ Arzneistoffe als kritisch einzustufen. Hierzu gehören dann auch laut Tierarztpraxis Rötger – Veterinämedizinisches Zentrum Berlin:
Makrozyklische Laktone : - Animec ®, Chanectin ®, Diapec ®, Ecomectin ®, Equimax ®, Eraquell ®, Furexel ®, Hippomectin ®, Ivomec ®, Noromectin ®, Paramectin ®, Qualimec ®, Vectin ®,Virbamec ®, Dectomax ®, Cydectin ®, Equest ®
Diese Medikamente werden oft gegen Parasiten eingesetzt. Für Hunde mit einem MDR1 – Gendefekt kann aber das Verabreichen dieser Arzneimittel lebensbedrohlich werden. Symptome werden hier beschrieben wie Sehstörungen, Ataxie, Krämpfe und Koma bis zum Tod.
Es wird empfohlen, ohne Vorliegen eines Gentests, Stronghold ®, Milbemax ® und Advocate ® zu verabreichen. Allerdings habe ich nach Recherchen folgendes gefunden:
Quelle: http://tier-heilpraktikerin.de/startseite/Links/Erkrankungen/Advocate.pdf (Link nicht mehr erreichbar)
„Ivomec und Dectomax sind i.d.R. nicht für Hunde zugelassen (zumindest in Deutschland)
Früher wurde tatsächlich häufig Ivomec (Zulassung für Rinder, Schweine oder Scha- fe) als Medikament genommen, oftmals in Kombi mit Waschungen mit Ectodex. Cydectin ist sehr! nah verwandt mit Ivomec! Das im Cydectin enthaltene Moxidectin ist übrigens auch einr von zwei Wirkstoffen im Advocate.” (Link nicht mehr erreichbar)
Hier irritiert mich, dass Ivomec zum Teil in der Liste steht, aber nach Aussage der Tierheilpraktikerin nicht in Deutschland zugelassen ist? Gut, dennoch die Info zu Advokat, die hier hilfreich sein kann.
Es gehören aber auch noch andere Medikamente, die kritisch zu beurteilen sind, in die Gruppe: Nicht zu verabreichen bei Hunden mit einem MDR1 – Gendefekt. Bitte setzen Sie sich mit Ihrem Tierarzt in Verbindung oder übernehmen Sie selbst die Verantwortung und recherchieren Sie schon mal vorab.
Haben Sie also einen Hund der betroffenen Rassen, einen Mischlingshund, lassen Sie ihn bitte auf einen möglichen MDR1-Gendefekt testen. Dieser Test kann Ihrem Hund das Leben retten. Zudem sollten Sie, ist Ihr Vierbeiner hiervon betroffen, definitiv eine Liste in Ihren Unterlagen haben mit Medikamenten, Arzneimittel, die Ihr Hund auf gar keinen Fall verabreicht werden dürfen. Sie selbst wissen ja, wie das manchmal so ist. Tierärzte sind auch keine wandelnde Datenbank und wissen nicht immer alles. Es wäre gut, wenn Sie sich im Vorfeld schlau machen, um eventuelle Medikamente, die Ihrem Hund das Leben im besten Fall nur schwer machen, auszuschließen.
Pau’s aktuelle Geschichte soll Ihnen zeigen, wie schnell das gehen kann.