Der Hundesenior, wie sieht es im Alter um Anpassungsfähigkeiten und Stress aus?
Nachdem es im 1. Teil um die Grauschnauzen im Allgemeinen ging, soll es nun mit dem Hundesenior in diesem Artikel in Bezug auf Anpassungsfähigkeit und Stress weiter gehen. Was vermag man einem Senior noch „anzutun“, wie gut kommen sie mit veränderten Situationen zurecht?
Dieses ist ein sehr sensibles Thema und wird mit Sicherheit nicht bei jedem Leser auf offene Ohren stoßen. Dennoch, ich lehne mich gerne aus dem Fenster, natürlich, weil ich die nötigen Erfahrungen nicht nur habe, sondern auch machte.
Hunde, das wissen wir ja nun mittlerweile alle, brauchen Regeln, Struktur und einen festen Rahmen. Dieses alles versuchen wir natürlich hinzubekommen, damit wir alle harmonisch miteinander leben und unsere Vierbeiner auch entspannt sein können.
Leben ist Veränderung und auch wenn wir versuchen, mit Veränderungen zurecht zu kommen, vieles über den Kopf regeln können, vermögen unsere Hunde, gerade eben auch unsere Senioren, es nicht immer, mit diesen zurecht zu kommen.
Was sind denn aber Situationen, die unsere Hunde aus dem Gleichwicht bringen können, sie vielleicht nicht mehr so gut verkraften?
Veränderter Lebensraum
Aus unterschiedlichen Gründen steht uns manchmal ein Umzug ins Haus.
Hier gibt es verschiedene Stresssituationen. So ein Umzug ist ja leider mal nicht mit einem Augenzwinkern getan. Da werden Kartons angekarrt, Geschirr und Bücher aus den Schränken geholt und verpackt. Diese Kisten stapeln sich, die Räume verschwinden mehr und mehr in den Kartons. Möbel werden auseinandergebaut, es wird gehämmert und gebohrt … Immer mehr Gewohntes verabschiedet sich. Es scheint, der räumliche Platz würde schwinden und den Kartons nachgeben. Der Senior fängt an Slalom zu laufen, oft wird auch sein fester Ruheplatz umgeräumt und sein Gefühl ist kein Gutes, weiß er doch nicht, was Sie planen; er weiß nur, nichts ist mehr wie es war und er muss sich täglich neu orientieren … Stress kommt auf. Gewohnte Hunderunden laufen aus dem Ruder, denn auch Sie haben ein Zeitproblem! Junge Hunde stecken diesen Stress ganz gut weg, sie laufen einen gerne vor die Füße. Senioren dagegen fühlen sich meist unwohl! In diesen Zeiten haben die Hunde einen Vorteil, deren Halter Kenntnisse im Zeitmanagement und Stressbewältigung haben. Denn diese Hundehalter schaffen es, auch im größten Chaos, Ruhe auszustrahlen und unerlässliche Zeit für den Hund aufzubringen.
Der Wechsel in eine andere Umgebung
Sind Sie umgezogen, riechen die neuen Räumlichkeiten fremd. Nicht jeder hat das Glück, schon im Vorfeld in das neue Haus/ neue Wohnung zu kommen, um auch die Hunde an diese neue Adresse schon mal “vorzugewöhnen”. Nichts in der Nase Ihres Schatzes lässt darauf schließen, dass die neuen Räume sicher sind. Wer dann auch noch seinen Hund während des Umzugs bei sich haben muss, weil er niemanden fand, der auf den Vierbeiner aufpasst, hat nicht nur mit sich selbst Stress, sondern auch mit seinem Hund, auf den man ja auch zu achten hat. Hunde sind neugierig, müssen überall dabei sein, wollen alles sehen, was getragen und hektisch hin und her geschleppt wird, überall die Nase rein stecken … Großer Fehler, denn irgendwann liegen die Nerven auch bei den Menschen blank und der Hundesenior wird auf den Platz geschickt. Aber: Auf welchen Platz???
Angekommen geht es dann los, die Umgebung erkunden. Die erste Gassierunde – verhalten, manchmal unbemerkt ängstlich, sucht sich der Senior einen Platz zum Lösen, an dem er „hoffentlich“ nicht gleich entdeckt wird von anderen im Territorium lebenden Hunden. Ein Hundesenior braucht länger, sich an ein neues Revier zu gewöhnen und sich einzubringen. Oft können Sie dann auch sehen, dass sie sich ungern lösen, nach Verstecken suchen … Das Markieren usw. setzt oft erst mit der Annahme des Reviers ein.
Es macht Sinn, mit seinem Senior schon im Vorfeld, das zukünftige Revier zu erforschen, denn im Gegensatz zu den jungen Hunden, sind sie viel vorsichtiger, gewöhnen sich langsamer an neue Situationen.
Veränderte Lebensumstände
Verlust eines Sozialpartners.
Leider haben auch das schon etliche Hundehalter erlebt. Entweder der eigene Partner des Menschen hat sich – auf welche tragische Weise es auch sein mag – verabschiedet oder der Sozialpartner des Hundes – der Hundekumpel, oftmals Orientierungshund.
Ja, Hunde trauern auch. Sie tun es auf ganz unterschiedliche Weise. Auch der Umgang durch uns Menschen ist verschieden. Trennen sich Partner, ist sehr oft Wut, Enttäuschung und klar, Stress, das Ergebnis. Wir wissen, alle diese Komponenten werden von unseren Hunden aufgefangen. Junge Hunde kommen relativ gut mit diesen Veränderungen zurecht. Wenn die stärkere Bezugsperson bleibt, was meistens die Regel ist, kann „Schnucki“ sich damit arrangieren. Schlimmer sieht es dann schon im anderen Fall aus. Da leiden Jung und Alt. Dennoch, Senioren, die eben so viele gemeinsame Jahre mit uns Menschen verbracht haben, können regelrecht krank werden, bei einem solchen Verlust.
So ist es auch mit den Gefühlen beim Verlust eines anderen Hundes. Wer es als Hund kennt, dass Vierbeiner ein – und ausziehen (beispielsweise bei Pflegestellen), mag besser zurechtkommen. Dennoch, wir dürfen nicht vergessen, dass Hunde riechen können, wenn das Leben eines Vierbeiners vorüber geht. Sie verabschieden sich schon früher, bevor wir wissen, dass die Zeit gekommen ist. Man mag meinen, sie riechen den Tod.
Auch unser Zulu hat schon einige Hunde gehen sehen, sich von einigen verabschieden müssen, weil er roch, sie würden sterben. Er reagierte stets unterschiedlich. Bei Rabea stellte er über Tage hinweg die Futteraufnahme ein, lag apathisch herum, war nicht mehr ansprechbar. Im jüngsten Abschied, bei Tango, hat er abends, am Tag Tangos Todes, geschrien wie am Spieß, sodass es uns das Blut in den Adern erfrieren ließ.
Wenn Hunde ihren Vierpfotenfreund verlieren, mit dem sie viele Jahre verbrachten, trauern sie. Senioren haben dabei oftmals eine tiefere Trauer. Sie wachsen mit dem anderen Hund auf, wachsen an ihm oder aber haben sich bislang an ihm orientiert. Oftmals auch “Verantwortung” an ihn abgegeben. Wenn dann der Freund nicht mehr da ist, kann es sein, dass dieser kurze Zeit nachgeht. Hier sollte man sehr behutsam mit der Situation vorgehen und eine gute Mitte finden. Der Gedanke, man müsse ihn nun ordentlich beschäftigen, ist ein guter, dennoch, zu viel ist auch nicht anzuraten. Was aber auf jeden Fall nun ein Muss- ist dem Senior Halt geben. Für ihn stark sein. Ja, natürlich müssen und können Sie um den verstorbenen Hund trauern und weinen, aber Achtung! Ihr Senior fängt Ihre Trauer auf!
Aufnahme eines neuen Hundes
Dieses Thema wird oft sehr kontrovers diskutiert. Natürlich gibt es auch hier kein SCHWARZ und WEISS, dennoch möchte ich gerne Stellung beziehen, denn hier habe ich viel gesehen und selbst erlebt.
Pflegestellen:
Pflegestellen beherbergen zeitlich einen Hund, bis er entweder in die Vermittlung gehen kann oder vermittelt ist. Dabei ist es natürlich auch oftmals hilfreich, wenn vorhandene Hunde unterstützen. Dennoch, einige Pflegestellen haben einen Durchlauf, dass einem schwindelig werden kann. Die eigenen Hunde kommen dabei zu oft zu kurz. Immer wieder müssen sie einen neuen Hund eingliedern, miterziehen … Und auch das klappt meistens nicht richtig, da der Mensch oftmals die Hundesprache nicht richtig deuten kann und sich in eine ganz normale Ordnung einmischt. Wenn dann der eigene Hund meint, mal etwas klarstellen zu müssen, wird er dann auch noch dafür bestraft – alles schon gesehen … Und wie oft wird gerade dann der Hundesenior des Hauses vom neuen Hund gemobbt?
Innerhalb des eigenen Verbandes werden auch Aufgaben verteilt. Je nach Alter des Pflegehundes kümmern sich dann die eigenen um verschiedene Aufgaben. Der Hundesenior ist dabei dann irgendwann nur noch Beobachter und lässt die jüngeren machen. Aber, Sie können auch sehen, dass sich die Senioren zunehmend gestresster fühlen und allzu oft den Rückzug antreten. Sie nehmen immer weniger am gemeinsamen Geschehen teil und „hoffen“, dass der „Eindringling“ bald wieder auszieht.
Natürlich kann es auch mal anders aussehen – da kann sich eine Freundschaft entwickeln, in der Hoffnung aller, dass der Pfleghund bleiben kann.
Eines habe ich ganz deutlich auch bei unseren Hunden gesehen. Wenn ein gewisses Alter erreicht ist, möchten sie diese ganze Aufregung nicht mehr. Sie wollen ihre Ruhe. Ihren geregelten Tagesablauf. Nicht immer gucken, dass ein Fremder zu nahe kommt, auf Futter achten, Ressourcen im Blick haben … Hier sollten auch die Vermittler ein vermehrtes Auge darauf legen und Pflegehunde nicht unbedingt in Haushalte geben, in denen Senioren leben. Es sei ihnen doch auch ein angenehmer Lebensabend gegönnt? Leider haben zu viele Menschen das Wohl des Pflegehundes im Focus und vergessen dabei die anderen im Haushalt lebenden Hunde.
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass es nach jedem Auszug eines Pflegehundes bei uns zuhause war wie in einem Schlaflabor. Alle Hunde verfielen mit dem Zuklappen der Haustür in eine Art Dornröschenschlaf …
Aufnahme eines jungen Hundes/ Welpen
Alle Steine zurück in die Taschen – Lach! Ich bin dagegen und kann nur davon abraten! Dagegen, wenn Sie einen wirklichen Senior ihr Eigen nennen.
Ja, ich verstehe es, wenn man den Wunsch hat, noch einen weiteren Hund aufzunehmen. Und ja, ein Welpe ist toll. Und wie großartig, denken sich viele Hundehalter, wenn der vorhandene Hund dem Kleinen alles Nötige beibringen kann. Soweit so gut. Ist der vorhandene Hund in der Lebensmitte, kann der Plan wirklich aufgehen. Wir haben es auch stets so gemacht. Aber bitte VORSICHT! Haben Sie einen Hundesenior bei sich leben, sollten sie nicht nur 2 x darüber nachdenken, sondern sich wirklich Zeit für diese Entscheidung nehmen. Der Gedanke, dass sich Ihr „Alter Herr“ oder „Alte Dame“ durch den Lütten verjüngen könnte, trifft leider nur in den allerwenigsten Fällen zu. Meistens hat Ihr Hundesenior Stress. Stress, der durch einen Welpen naturgemäß eintritt. Verfallen Sie bitte nicht dem Irrglauben, dass Ihr Senior schon nach ein paar Tagen Eingewöhnungsphase diesen neuen Zustand als Gewinn ansieht. Wenn Sie Glück haben, erträgt er … Wenn Sie Pech haben, leidet er und Sie bekommen es noch nicht mal mit. Es gibt natürlich auch Fälle, da geht es gar nicht gut …
Ja, wir wurden ja nun auch gefragt, was wir machen werden, da Zulu, knappe 10 Jahre, alleine lebt und man weiß, dass wir eigentlich Mehrhundehalter sind. Nun, so war es ja auch nicht geplant, doch hat die Natur uns einen Streich gespielt und unsere Amali mit 3,5 Jahren und Tango mit 4 Jahren aus unserem Leben genommen. Aber, Zulu ist knapp 10 Jahre. Im Leben würden wir ihm keinen Welpen mehr vor die Nase setzen. Warum es auch kein älterer Hund sein wird, hat mit ihm selbst zu tun. Er will einfach nicht mehr. Er hat in seinem Leben genug erzogen, geregelt, Unruhe gehabt, war Teil einiger Partnerschaften. Er darf in Rente gehen oder besser, ist es auch schon und ein weiterer Hund würde ihn total aus der Bahn werfen. Er ist ein Hundesenior!
Die wenigsten Hunde blühen im Alter auf, wenn sie einen Welpen nach Hause bekommen. Sicher, das hat immer auch mit dem Hund an sich zu tun und klar, schauen wir in die Zuchtstätten, kümmern sich die älteren Hunde auch immer um die Jungen. Aber bitte – das ist etwas ganz anderes und meistens besteht in den Zuchten auch ein Rudel und nicht wie bei uns, ein Verband.
Abgabe eines Seniors
Wer will das schon? Einen Hund abgeben? Die meisten Menschen nicht. Dennoch, kommt man nicht an diesen Tag vorbei, hat der Hundesenior es wahnsinnig schwer. Zu diesem Thema möchte ich in einem weiteren Artikel schreiben.
Dann geht es um Graue Schnauzen in Not.
Zusammenfassend:
Senioren haben ihre Wehwehchen, ihre Routinen, ihr eigenes Tempo und ihre Befindlichkeiten. Sie benötigen ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Die sieht aber nicht vermehrte Interaktion in Form von Ausläufen usw. vor, sondern eher, ein anderes Behüten, Hinschauen, Timing, auch ein anderes Zeitmanagement. Die Kuschelzeit wird intensiver, und unsere Senioren benötigen mehr Ruhe.
Sie können sich schwerer an neue Situationen gewöhnen, geraten schneller in Stress, wenn etwas außer ihrer normalen Routine passiert. Ihre Anpassungsfähigkeit sinkt und sie benötigen gerade jetzt mehr Sicherheit und Stabilität. Gerade auch jetzt ist es sehr, sehr wichtig, ihre Bedürfnisse zu erkennen, zu respektieren und für sie absolut verlässlich zu sein.