Der Umgang mit Hunden an Silvester
In jedem Jahr lesen wir viele Beiträge zu dem Thema: Hunde und Silvester. Meist geht es dabei um die Knallerei und was man gegen die Angst der Hunde tun kann. Oft werden Medikamente empfohlen oder Verhaltensmaßnahmen vorgeschlagen.
Hunde und Silvester: Nun ja, wie es auch 100e von Hundetrainern gibt, so gibt es auch genauso viele und mehr Meinungen dazu.
Ich stehe diesen ganzen Ratschlägen oft sehr skeptisch gegenüber. Gerade, wenn es darum geht, die Hunde medikamentös ruhig zu stellen, dann werde ich oft sogar etwas ungehalten.
Denn, wenn Hunde Angst haben, haben sie diese auch, ob sie nun benommen sind oder nicht. Ich glaube eher, dass genau das Verabreichen solcher Präparate den Hunden eher schadet, als hilft. Zumindest jedoch stärkt es sicher nicht das Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Mensch – das kann ich mir beim besten Willen nun mal nicht vorstellen.
Und nun habe ich aktuell einen Beitrag von Tierarzt Ralph Rückert gelesen, in dem er genau meine Befürchtungen bestätigt. Er schreibt, dass Sie Ihrem Hund auf keinen Fall Azepromazin verabreichen sollen. Dieses Phenothiazin-Derivat sei ein Neuroleptikum und Sedativum und wird unter den Handelsnamen Vetranquil, Sedalin, Calmivet und Prequillan vertrieben. Weiterhin schreibt er:
Zitat:
“Seit geraumer Zeit wissen wir aber, dass das Geräuschempfinden und die damit verbundene Angst der Patienten durch den Wirkstoff nicht wirklich eingeschränkt werden. Der Hund hat also keinen Deut weniger Angst als sonst, er ist nur körperlich unfähig zu erkennbaren Reaktionen.”
Herzlichen Dank für diese ehrlichen und offenen Worte!
Hunde und Silvester: Was bedeutet es, denn aber Angst zu haben oder, was ist Angst?
Rüdiger Vaas hat auf Wissenschaft- Online im Lexikon der Neurowissenschaft folgende, sehr verständliche Erklärung hierzu gegeben:
Angst
Angst und Furcht – Definitionen
„Angst … und Furcht sind Emotionen, die bei einer Bedrohung (oder der bloßen Vorstellung davon) bei vielen Tieren einschließlich des Menschen auftreten … Als grundlegende stammesgeschichtlich herausgebildete Warn- und Schutzfunktion treiben Angst und Furcht zur Flucht und aktiven oder passiven Vermeidung von Situationen an, die Schmerz, Verletzung und Tod zur Folge haben können. Das ständige “Sichern” vieler Arten verdeutlicht die Erwartung einer Gefahr, ohne daß diese von einem bestimmten Objekt ausgehen muß. Häufig wird unterschieden zwischen
1) Angst als allgemeinem, gegenstandslosem, frei flottierendem, ungerichtetem und diffusem Gefühl, das nicht zu konkreten Handlungen führt (oder führen kann) und
2) einer spezifischen, gegenstandsgerichteten, d.h. auf ein konkretes Objekt oder eine bestimmte Situation bezogenen Furcht, die zu Verstecken, Flucht oder Angriff verleitet – die Angst kommt “von innen”, die Furcht “von der Außenwelt“ …
Allerdings läßt sich diese Distinktion weder im wissenschaftlichen noch im allgemeinen Sprachgebrauch konsequent durchhalten und wird deshalb im folgenden auch nicht eigens berücksichtigt. Allgemein formuliert ist Angst ein unangenehmer, unlustbetonter emotionaler Zustand, der sich auf verschiedenen Beschreibungsebenen charakterisieren und untersuchen läßt.”
Nun stellt sich mir die Frage, wie Sie mit Angst umgehen? Teilen Sie sich mit? Sagen Sie Ihrem Partner, dass Sie Angst haben, sich vor etwas fürchten? Und, wie verhält sich Ihr Hund, wenn Ihnen unheimlich ist? Suchen Sie vielleicht seine Nähe oder ist es so, dass Ihr Hund plötzlich neben Ihnen steht? Denken Sie bitte einmal nach, haben Sie nicht vielleicht schon mal gesagt, dass Ihr Hund merkt, wenn es Ihnen nicht so gut geht?
Wie geht es Ihnen, wenn Sie Trost von einem Ihrer Sozialpartner erfahren – sei es Ihr Lebenspartner oder Ihr Tier. Sie beruhigen sich etwas? Mögen Sie es, getröstet zu werden? Fühlen Sie sich in Trost wohler? Ja! Denn Körperkontakt und Zuwendung senken den Blutdruck und Ihre Atemfrequenz ist wieder normal, Sie atmen durch und die Hormone, die durch diese Zuwendung frei gesetzt werden, wirken den Stresshormonen entgegen.
So können wir doch feststellen, dass Trost, Zuwendung, Körperkontakt, positive Gefühle bewirken. Gehen wir weiter, dürfen wir auch davon ausgehen, dass Trost, Zuwendung und Körperkontakt, diese positiven Gefühle – negative verdrängen. Als Resultat ist zu beobachten, dass soziale Verhaltensweisen, Angst bekämpfen.
Hunde und Silvester:
Nun habe ich von sozialer Verhaltensweise geschrieben. Ja, denn genau das ist es und was die Hunde eben auch in einem intakten Rudel oder Verband zeigen. Wie oft gebrauchen Sie das Wort „Sozial“, „Sozialverhalten“?
Und haben Sie, sollten Sie mehr als einen Hund haben, vielleicht auch schon beobachtet haben, dass in unsicheren Situationen, Ihre Hunde sich gegenseitig stützen? Oft steht einer dem anderen bei. Sie finden das sicher immer schön und sprechen auch darüber. Hunde merken, wenn es ihren Sozialpartnern nicht gut geht, sie unsicher sind, sie Angst haben, sich gar fürchten. Sie unterstützen sich, helfen sich, geben sich Halt und beruhigen sich. Sie zeigen dieses auch mit Beruhigungssignalen (siehe hierzu auch Beschwichtigungssignale).
Nun zurück zu Silvester. Ihr Hund hat Angst. Sobald die Knallerei los geht, zeigt er sich auffällig, ängstlich. Verschiedene Verhaltensweisen zeigen sich. Verschiedene Hunde – verschiedene Handlungen, wie z. B.
- Zittern
- Hecheln
- Sabbern
- Sich verkriechen
- Sich verstecken
- Jaulen
- Hin und her rennen
Nun gibt es als Ratschlag beispielsweise, den Hund zu ignorieren. Und nun kommts – damit sein Verhalten nicht bestärkt wird! ??? Was ist denn nun Angst? Angst ist kein Verhalten, Angst ist ein Gefühl. Und wie ich bereits schrieb, kann man ein schlechtes Gefühl mit Zuwendung beikommen, also bekämpfen. Der Hund kann lernen, sich von diesem Gefühl der Angst zu lösen.
Den Hund also ignorieren – aha. Was habe ich gerade gesagt? Trost spenden, Zuwendung, Unterstützung sind soziale Verhaltensweisen innerhalb eines intakten Rudels oder Verbandes. Ignorieren Sie also Ihren Hund, wenn er Angst hat, verhalten Sie sich unsozial.
Wenn Sie ein gutes Verhältnis zu Ihrem Hund haben, ihm Sicherheit und Vertrauen versprachen, dann bitte verhalten Sie sich auch in solchen Momenten ruhig, entspannt und verlässlich.
Ignorieren Sie die Knallerei, aber nicht Ihren Hund! Vermitteln Sie, dass die Knallerei nichts Aufregendes ist, nichts, das bedrohlich ist – nicht für Sie in Ihrem Verband.
Und zeigt Ihr Hund Angst und er fühlt sich überhaupt nicht gut, dann stehen Sie ihm bitte bei, so, wie er auch Ihnen beistehen würde. Wirken Sie bitte beruhigend auf Ihren Hund ein. Quatschen Sie nicht auf ihn ein, nehmen Sie ihn nicht ein … das heißt, umarmen Sie ihn nicht wie verrückt und bedrängen ihn … lassen sie ihn, berühren ihn sanft … seien Sie ruhig und souverän, seien Sie sein verlässlicher Partner!
Hunde sind unterschiedlich. Die einen kommen zu Ihnen und suchen Körperkontakt, würden Ihnen am liebsten auf den Schoß springen – ja, bitte, lassen sie ihn doch Trost und Schutz bei Ihnen finden! Streicheln Sie ihn behutsam und ruhig und vermitteln ihm, dass nichts Schlimmes passiert – nach dem Motto: alles ist gut!
Lassen Sie Ihren Hund bitte auch entscheiden, wie er mit der Situation umgehen möchte. Verkriecht er sich in die letzte Ecke, unter die Couch, unters Bett – ja bitte, lassen Sie ihn – lassen Sie ihn nur wissen, Sie sind da. Zerren Sie ihn nicht irgendwo vor, treiben ihn nicht aus seinem Versteck. Gehen Sie doch bitte zu ihm und leisten ihm Gesellschaft. Er würde es andersrum genauso tun! Wo Sie sind, ist er auch – oder? Möglicherweise kommt er ganz von allein wieder vor oder heraus und sucht den bereits genannten Körperkontakt. Aber lassen Sie Ihren Hund entscheiden, zwingen Sie ihn nicht in einer für ihn schon stressigen Situation.
Fazit: Trösten Sie Ihren Hund, wenn er Angst hat. Und bitte verstehen Sie, dass Angst kein Verhalten, sondern ein Gefühl ist.
Persönliches Beispiel für Hunde und Silvester:
Meine beiden älteren, bereits verstorbenen Hündinnen waren im Verhalten zu Silvester ganz unterschiedlich.
Hunde und Silvester: Lady Spice war ganz aufgedreht und aufgeregt, wach und hoch konzentriert. Sie lief den Lichtern hinterher. Sprang über das Grundstück und verfolgte die vielen Lichter und Knaller. Sie war dabei nicht negativ aufgeregt. Es sah eher immer aus, als hätte sie Spaß. Sie fing an, zu rennen, zu springen und kam immer wieder zu mir, stupste mich an, um wieder die Lichter zu verfolgen. Manchmal bin ich mit ihr mitgelaufen und wir hatten gemeinsamen Spaß.
Hunde und Silvester: Rabea hat das alles so gar nicht interessiert. Sie hat Silvester verschlafen. Wenn Spicie mal bellte und quietschte, stand sie auf, sah nach, um dann festzustellen: Nix los – und legte sich wieder hin, um weiter zu schlafen.
Hunde und Silvester: Dann kam Zulu. Zulu war ne Schitbüchs und war sogar panisch. Er rannte wie von der Tarantel gestochen ins Büro, legte sich unter den Schreibtisch und zitterte wie Espenlaub. Es war so schlimm und ich dachte, er bekäme gleich einen Herzinfarkt.
Ich ließ ihn – also auch völlig in Ruhe, schaute aber immer wieder nach ihm und beobachtete, ob es etwas gäbe, das ich für ihn tun könnte. Nach einer Weile traute er sich immer mal wieder, raus zu kommen, um zu gucken, lief dann aber wieder ganz schnell zurück zu seinem für ihn sicheren Ort. Bis er erneut kam und Spice sich neben ihn stellte. Sie leckte ihm die Lefzen, presste ihren Körper an ihn … Er war sehr jung und noch so unsicher. Spicke dagegen war schon eine 8jährige Dame und erfahren. Sie rannte wieder runter auf den Rasen des Grundstücks und hatte einfach nur Spaß. Unsere Nachbarn und ich standen auf der Terrasse und schauten zu. Zulu ging nicht mehr zurück ins Büro, er stellte sich nun zu mir, seinen Körper an mich gepresst und ich streichelte ihn nebenbei, sprach ihn ab und an an … und man soll es nicht glauben, aber Zulu schaffte es, auch kurz nach unten zu gehen, um zu schauen, was Spice denn da so einen Spaß bereitet. Er stand unten und bellte, während Spicie weiter Lichter jagte und immer wieder einen Abstecher zu Zulu machte. Mit Spielaufforderungen und positivem Lebensgefühl hat Spice es geschafft, Zulu die Angst zu nehmen.
Spice war leider nicht mehr am Leben, als unsere Amali zum ersten Mal Silvester erlebte. Dafür aber Rabea. Und wie Sie sich denken können, hat Rabea durch ihre völlige Gelassenheit, Amali ihre Unruhe genommen. Beide Hündinnen lagen zusammen und waren recht uninteressiert. Als wir raus gingen, um zu schauen, war Amali neugierig und bellte schon mal, aber das wars und Zulu hielt sich dicht hinter der viel jüngeren Hündin.
Es war an der Zeit, da nun auch Rabea nicht mehr lebte, und Tango in unseren Verband zog, dass Amali nun die Ruhe und Unterstützung an den Kleinen weitergab. Das hat sie super gemacht. Tango macht Silvester nichts aus. Bei Knallerei schaut er mal, aber das wars.
Hunde und Silvester:
Auch heute noch reagiert Zulu auf Knallerei. Auch, wenn wir unterwegs sind und es wird geschossen. Aber Panik, Angst zeigt er nicht mehr, unsicher etwas … aber dann kommt er sofort zu uns und wir geben ihm den Halt, den er dann braucht. Die Zeit, bis er wieder völlig normal erscheint und sich frei bewegt, wird immer kürzer. Er hat gelernt, sich an uns zu orientieren. Sind wir ruhig und gelassen, haben wir keine Zweifel daran, dass diese Situation gerade nicht bedrohlich ist, ist auch für Zulu die Welt wieder in Ordnung.
In diesem Jahr nun sind die beiden Rüden allein, auch Amali ist bereits über die Regenbogenbrücke gegangen – nun ja, nicht ganz, denn wir Menschen werden selbstverständlich an ihrer Seite sein.
Also noch mal:
Bitte ignorieren Sie Ihren Hund nicht. Bitte helfen Sie ihm aus der Angst heraus zu kommen. Und noch mal: Angst ist kein Verhalten, es ist ein Gefühl, das man durch positive Impulse auflösen kann!
Und noch ein Tipp von Tierarzt Ralph Rückert:
“Bei weniger stark betroffenen Hunden können Präparate versucht werden, die nicht als Medikamente, sondern als Nahrungsergänzungsmittel deklariert sind, wie zum Beispiel Zylkene und Adaptil-Tabletten. Unter dem Namen Adaptil werden auch ein Pheromonverdampfer für die Steckdose und ein Pheromon-Halsband vertrieben, die sich ebenfalls als hilfreich erweisen können.”