Die Wasserrute betrifft nicht nur Hunde, die im Wasser arbeiten.
Im vergangenen Jahr haben wir über die Wasserrute berichtet. Was ist eine Wasserrute, wie bekommen Hunde eine solche und vor allem, was kann man dagegen tun?
In unserer diesjährigen letzten Ausgabe des Magazins “Wissen-Hund – das Magazin rund um Hund und Hundehaltung” habe ich Ihnen ja angekündigt, dass ich versuchen möchte, noch mehr Informationen zum Thema Wasserrute zu erhalten. Dieses Thema hat Sie interessiert. Zugegeben, das war gar nicht so einfach. Nun durfte ich aber von Ivonne Stürck, Tierphysiotherapeutin, eine Menge Infos erhalten, die ich Ihnen selbstverständlich bereit stelle.
Beschäftigt man sich nun also näher mit der Wasserrute, erfährt man, dass diese nicht nur ein typisches Ergebnis von untrainierten, nicht aufgewärmten usw. Hunden ist, die ins Wasser springen oder aus dem Wasser apportieren usw. Die Wasserrute umfasst viel mehr. Es gibt die unterschiedlichsten Formen. Aber lesen Sie selbst. Ivonne Stürck hat uns hierzu sehr anschaulich Beispiele gegeben.
Ivonne Stürck, Tierphysiotherapeutin und Hundetrainierin:
Formen der Wasserrute
“Ich habe die Wasserrute recht häufig in Behandlung.
Wie der Name schon sagt, ist es gar nicht selten, dass man den Hunden etwas Gutes tun wollte und mit ihnen bei warmem Wetter zum Schwimmen gefahren ist. Nun muss man bedenken, dass bereits 10 Minuten kontinuierlichen Schwimmens für den Hund so anstrengend ist, wie 1 ½ Stunden (!) neben dem Fahrrad zu traben. Da verwundert es nicht, dass dann am nächsten Tag Beschwerden auftreten. Durch die ungewohnte Belastung, vor allem eben der Muskulatur im hinteren Rückebereich bzw. der Rute, kommt es zu starkem Muskelkater. Die Hunde haben Schmerzen, teilweise hängt die Rute komplett gerade herunter und teilweise wird sie am Rutenansatz zunächst vom Körper weggestreckt und der Rest der Rute hängt dann gerade nach unten.
Aber auch dies ist nur eine Form der „Wasserrute“, denn sie tritt nicht nur in Verbindung mit Wasser auf, daher ist die Bezeichnung auch ein wenig irreführend.
Formen der Wasserrute
Fall 1:
Mischlingshündin Diva:
Diva kommt so langsam in die Jahre. Sie hatte vor kurzem ihren 9. Geburtstag. Die Maus war schon immer eine begeisterte Agilityläuferin. Nun darf sie aufgrund ihres Alters so langsam in Rente gehen. Dazu kommt, dass bei ihr die ersten Alterswehwehchen auftreten. Sie hat eine leicht Arthrose in der rechten Hüfte. Diese führt dazu, dass sie in der Bewegung des rechten Hinterbeins eine leichte Schrittverkürzung hat. Durch diese Schonhaltung kommt es zu einer unphysiologischen Belastung des Lendenwirbelbereiches. Es entstehen Verspannungen, Blockaden, Schmerzen. Die Wirbelsäule muss man sich wie eine Perlenkette vorstellen … Hakt es an einer Stelle, ist auch die restliche „Kette“ hiervon betroffen. Diva versucht also, dem Schmerz zu entgehen, indem sie den Rücken aufkrümmt und den Po unter den Körper zieht. Auch hier haben wir wieder die gleiche Folge von Ereignissen: Verspannungen, Blockaden, erneute Schmerzen. Sehr bald fällt auf, dass die Rute immer tiefer getragen wird und alsbald gerade herabhängt.
Formen der Wasserrute
Fall 2:
Border/Aussie-Mixhündin Jacky:
Jacky sollte lernen, über die Sprossen einer Leiter zu laufen. Hierfür wurde die Leiter zunächst auf dem Boden ausgelegt. Sie meisterte das recht schnell ganz gut und die Leiter wurde Schritt für Schritt höher gelegt. Zuletzt lag die Leiter nun in einer Höhe von ca 1,5 Metern. Leider hat Frauchen dann nicht aufgepasst und hat nicht wie sonst Jacky beim Überlaufen der Leiter begleitet, sondern stand einige Schritte weit weg und hat sie auf diese Entfernung auf die Leiter geschickt. Obwohl Jacky diese bis dahin recht sicher gelaufen war, wurde sie an diesem Tag gestört. Frauchen vermutete, dass ein Vogel Jacky irritiert haben könnte, auf alle Fälle verpasste sie eine Sprosse der Leiter und trat ins Leere. Leider verlor sie hierbei derart unglücklich das Gleichgewicht, dass sie teilweise durch die Sprossen rutschte. Jacky geriet in Panik und zappelte hektisch, um sich zu befreien. Frauchen kam ihr schnell zu Hilfe. Sie sagte hinterher, sie hätte Jacky im Bereich der Lendenwirbelsäule gepackt, um sie wieder nach oben auf die Leite zu ziehen, aber ob die folgenden Probleme von diesem Griff oder aber durch das vorherige panische Zappeln der Hündin entstanden sind, kann man hinterher nicht sagen.
Jacky hatte starke Rückenschmerzen, Prellungen Blockaden an der Wirbelsäule und im ISG. Die Rute hing komplett schlaff „wie tot“ herab.
Formen der Wasserrute
Fall 3
EurasierMix Max
Max ist ein Junghund mit unglaublich viel Power und Energie – und wenn er mit der Rute wedelt, dann wedelt er richtig … Nun hat er sich an einem Tag so gefreut, als Frauchen nach unglaublich langen 10 Minuten von der Garage wieder ins Haus kam, dass er mit der Rute gegen die Metalletagere von Frauchens mit viel Liebe gezogenen diversen Blumen knallte. In den folgenden Tagen fiel nun auf,
– dass Max ungern und sehr merkwürdig Kot absetzte,
– dass er ständig versuchte, seine Rute gegen Wände, Türen oder die Seitenwand des Autos zu drücken,
– dass er sich immer auf seine Rute setzte.
Die Rute, die bei einem Eurasier eher sehr hoch getragen wurde, hing nun gerade herab.
Sehr auffallend war ein Bereich kurz unter dem Rutenansatz: Max hat schwarzes Deckhaar, welche hier wegbrach und die hellere Unterwolle zum Vorschein kam.
Bei einer vorsichtigen Palpation der Rute konnte sehr schnell festgestellt werden, dass sich die Wirbel in diesem Bereich verschoben hatten. Als diese Blockaden gelöst waren, konnte Max sich sofort nach der Behandlung auch wieder völlig normal bewegen. Ich habe ihm gedroht, ihm eine Rutenpolsterung zu bauen, sollte das noch einmal vorkommen.
Formen der Wasserrute
Fall 4:
Retrievermix Basti
Basti kommt aus dem Tierschutz. Zu seiner Vorgeschichte ist nicht viel bekannt. Was aber leider feststeht ist, dass er es alles andere als gut gehabt hat. Frauchen tut nun vieles, um ihm ein schönes Zuhause zu geben, ein Ort, wo er endlich zur Ruhe kommen kann und wo er Vertrauen finden soll. Leider war sie hier ein wenig vorschnell und hat sich und Basti zu einem Workshop angemeldet. Dieser Kurs ging über ein ganzes Wochenende. Basti war also die ganze Zeit auf dem Hundeplatz und auch zwischen den Übungen von den anderen Menschen und Hunden umgeben. Selbst in den Pausen ging man gemeinsam spazieren. Was gut gemeint war, hatte aber leider zur Folge, dass Basti total gestresst und ängstlich permanent die Rute tief unter den Bauch gezogen hatte und sich nur leicht geduckt bewegte. Die Annahme“ das gibt sich“ wurde leider nicht bestätigt. Und so dachte auch Frauchen, als sie wieder Zuhause war, er würde einfach sehr lange brauchen, bis er sich wieder entspannte, denn auch Zuhause wurde die Rute immer nur tief herabhängend getragen. Als sie ihn aufmuntern und „durchpuscheln“ wollte, schrie Basti beim Berühren der Rute auf.
Durch die permanente Belastung der Rutenmuskulatur hatte Basti massiven schmerzhaften Muskelkater.
Dies sind nur einige von vielen Beispielen. War die Wasserrute nur Symptom eines „Muskelkaters“ ist es in der Tat meist so, dass die Wasserrute nach einige Tagen (spätestens 1 ½ Wochen) von allein verschwindet. Nicht außer Acht lassen sollte man hierbei, wie unangenehm und häufig schmerzhaft dies für den Hund ist.
Handelt es sich aber bei der Wasserrute um ein Symptom, welches zB eine Wirbelblockade als Ursache hat, so verschwindet es leider nicht von allein wieder.
Im Idealfall begleite ich die Hunde vom Welpenalter an. Springt ein Junghund vergnügt über die Wiese und bleibt hierbei z. B an einem Maulwurfshaufen oder Mäuseloch hängen, so kommt es häufig dazu, dass der Hund humpelt. Man macht also ein paar Tage nicht ganz so viel mit dem Hund und das gibt sich schon wieder. Aber: durch die Schonhaltung (das Humpeln) kommt es auch zu Beschwerden im Rücken. Sehr schnell bilden sich Verspannung, welche dann erneut Schmerzen verursachen. Ein Hund lernt sehr schnell mit diesen Schmerzen zu leben. Wenn wir Menschen Rückenschmerzen haben, sagen wir uns selbst „Ich muss mal wieder grade kommen“. Ein Hund macht das NICHT. So kommt es zu einer dauerhaften Schonhaltung mit den entsprechenden leider negativen Folgen für den Hund. Diese Schonhaltung wird von den meisten Besitzern gar nicht wahrgenommen. Es handelte sich dann meist um leichte Schrittverkürzungen, Gewichtsverlagerungen, der Hund versucht den Rücken durch Passgang oder eine Gliedmaße durch traben zu entlasten. Wie bereits erwähnt, kommt es in einem Segment der Wirbelsäule zu Beeinträchtigungen, sind auch andere Teile hiervon betroffen. Dies kann sich dann auch durch die so genannte „Wasserrute“ äußern.
Die Behandlung der Wasserrute ist vielfältig und bei jedem Patienten anders. Eine generelle Aussage kann man nicht treffen, denn es kommt sehr stark darauf an, was die Ursache der Wasserrute ist. Häufig helfen Thermotherapie, Massagen, manuelle Techniken aus der Physio- aber auch der Osteopathie (z. B. eine leichte Traktion der Wirbelsäule) auch TENS wird gern zur Schmerzlinderung eingesetzt. Dies sind nur einige wenige Beispiele von vielen. Je nachdem was die Ursache ist, kann dann zusätzlich ein gezieltes Aufbauen der Rückenmuskulatur sowie ein wenig Rückengymnastik helfen (2 Minuten am Tag sind hierfür völlig ausreichend).”