Die Sozialisierungsphase (4. – 12.Woche)
Einige Kynologen teilen diese Phase in zwei, die Prägephase (4 .- 7. Woche) und die Sozialisierungsphase (8. – 12.Woche). Diese Entwicklungsschritte sind aber nicht zu trennen, auch wenn innerhalb der 4. – 12. Woche einige Veränderungen statt finden, mit einem Höhepunkt zwischen der 6. und 8. Woche.
Zudem ist der Ausdruck “Prägephase” entwicklungsbiologisch nicht korrekt, da die Lernerfahrungen nicht unumlenkbar sind – es findet keine unveränderliche Prägung statt.
Die Sozialisierungsphase ist eher eine Anreihung von sensiblen Abschnitten, in denen der Welpe besonders einprägsam und nachhaltig lernt.
Alle Sinnesleistungen sind nun voll entwickelt und ermöglichen auch allmählich ein genaues Orten von Wahrnehmungen über Nase, Ohren und Augen.
Mit angespannter Körperhaltung werden Bewegungsvorgänge in der Umgebung aufmerksam verfolgt. Die Befähigung zur Fortbewegung reift in diesen Wochen rasch und entwickelt sich vor allem im Spiel zu größerer Schnelligkeit, Wendigkeit und Sicherheit. Die Schlafperioden werden kürzer.
Die Welpen saugen, in der Regel, bis zum Ende dieser Phase bei der Mutter. Diese entzieht sich aber immer häufiger dem Drängen der Welpen, deren nadelspitze Zähnchen und Krallen Kratzer und Schmerzen am Gesäuge verursachen.
Kann sich die Hündin nicht vor den Welpen an einen für jene unerreichbaren Ort zurückziehen, dann vertreibt sie diese knurrend vom Gesäuge.
Nun verfeinern sich soziale Verhaltensweisen.
Ab jetzt drücken sich innere Spannungen durch die Rute aus. (wedeln, einklemmen, starr halten)
Maulwinkelstoßen/ Maulwinkellecken (Ausdruck freudiger Zuneigung und Bindungsbreitschaft)
Es entstehen Konflikte im Spiel mit den Geschwistern und dem Fressen.
Fast alle mimischen, gestischen Ausdruckmöglichkeiten werden angewand
(Ohren anlegen, Zähne blecken, Mundwinkel nach hinten ziehen, pföteln, schubsen, das Fell sträubt sich, Abwehrschnappen)
Kampfspiele unter den Geschwistern häufen sich, bei denen nicht nur die einzelnen Formen taktischer Bewegungsweisen geübt, sondern auch verschiedene Elemente des Ausdrucksverhaltens sichtbar werden.
Es gibt nun Sieger- und Verliererspiele mit Rollentausch, wobei die sozialen Blockaden aggressiver Verhaltensweisen sowohl instinktmäßig als auch über die Erfahrung ausreifen.
Abwehrreaktion und Schmerzlaut im Spiel, belehren den rüpelhaften Bruder (oder die Schwester), dass er (sie) zu weit gegangen ist. Dieser lernt dabei, seine eigenen Kräfte abzuschätzen und unter geeignete Kontrolle zu bringen.
Die Welpen haben noch eine starke Bindung zur Mutter und zum Wurflager, aber sie entfernen sich täglich etwas weiter vom Lager, vor allem, wenn sie dabei den Eltern folgen können.
Neugier und Lerntrieb stehen im Vordergrund und kennzeichnen das gesamte Welpenleben. Alles wird erkundet und probiert, an allem Erreichbaren wird geknabbert. Sie erfassen ihre unmittelbare Umwelt.
Die Hundeeltern sind überaus duldsam, spielen aber recht grob mit ihnen – vor allem der Vater oder juvenile Verbandsmitglieder – die Welpen lernen schnell die notwendigen Beschwichtigungsrituale vorzubringen, ehe es zu Auseinandersetzung kommt.
Grenzen werden spielerisch erprobt: Ein Welpe läuft zum ruhenden Vater, baut sich vor ihm auf und vollführt sein Pfötchengeben unter lauten Angstschreien (die auch eine Aggressionshemmung darstellen). Dann beißt er den Alten blitzschnell in die Nase und läuft – man ist versucht, zu sagen: lachend – davon.
Ablenkungsmethoden werden auch angewandt, wenn ein Welpe einem Althund einen Futterbrocken wegnehmen will. Wenn der, erstaunt über das Getue des Welpen aufschaut, packt dieser flugs den Brocken und saust damit ab. Man kann natürlich Sozialverhalten auch so einüben.
Durch diese und ähnliche Dinge entwickelt sich zugleich ein festes Vertrauensband zu den Elterntieren, die die Welpen zum Ende dieser Phase häufiger disziplinieren, z. B. knurren sie die Welpen an, wenn diese allzu lästig werden.
Die wichtigsten Ziele sind der Nahrungserwerb und das Erlernen des Sozialverhaltens.
In diese Zeit fällt meist die Übergabe des Welpen an seine Familie, idealerweise sollte das nach dem individuellen Entwicklungstand jedes einzelnen Tieres geschehen – das ist aber leider selten.
Dieser Zeitpunkt liegt i.d.R. zwischen der 8. – 11.Lebenswoche.
Der positive menschliche und arteigene Kontakt ist jetzt noch wichtiger als vorher.
Oftmals bekommen Hundehalter den Rat,”Nun muss der Hund alles erleben, womit er im Rest seines Lebens zu tun haben wird, wer diese Chance verpasst, kann das nie wieder nachholen”.
Das ist so nicht richtig und führt oft dazu, dass Welpen ständig alles erleben sollen und damit hoffnungslos überfordert werden.
Vielmehr sollte der Welpe eine emotional positive Beziehung zum Menschen aufbauen und unterschiedliche Situationen positiv erleben.
Es ist nicht wichtig, möglichst viel “Erleben/ Erfahren” in diese Wochen zu packen, sondern einiges zu erleben – aber unbedingt mit guter, schützender Führung durch den Menschen.
Kommentar:
Ich denke, es liegt das Problem in der Auslegung der Erkenntnisse.
Ja, sicher, ein Welpe soll erkunden und erleben dürfen und ein zu wenig angesprochener und geforderter Welpe kümmert und behält oft ein Leben lang eine ausgeprägte Umweltunsicherheit und Probleme in der Bindungsfähigkeit zum Menschen.
Also nahm man an, der Welpe muss alles jetzt sofort und schnell gesteigert, pur erleben. Das andere Extrem.
Das Leben spielt sich aber nicht in Extremen ab.
Wichtiger ist vielmehr, dass der Welpe diese Zeit als beschützt erlebt und positive Abenteuer mit Menschen erlebt und eben diese Menschen auch als Sicherheit und wohlwollend empfindet. Er soll ermuntert werden, die Welt zu erleben, aber nur in einem Umfang, den er auch erfassen kann.
In vielen Köpfen sind Hunde einfache Wesen, die Erziehung ist in drei Sätzen erklärt und auf eine bestimmte Reaktion gibts eine absehbare Gegenreaktion.
Aber Hunde sind nicht einfach und jeder ein Unikat.