Cayas Geschichte aus der Sicht der Halterin.
Caya, eine Hündin aus dem Tierschutz, kam vor etwa 7 Monaten zu ihrer jetzigen Halterin. Niemand wusste so recht, wie ihr bisheriges Leben verlief.
Vermutet wird, sie lebte auf der Straße, wurde dann durch Hundefänger eingefangen und in eine Station gebracht, von der dann Menschen mit Herz für Tiere Hunde adoptieren können. Die, die kein Zuhause finden, werden nach einer Zeit getötet.
Kaya ist eine Mischlingshündin. Welche Rassen letztendlich alle mal in der gesamten Ahnenfolge beteiligt sein könnten, lässt sich schwer erahnen. Möglicherweise aber könnte es auch sein, dass sich Gene eines Hütehundes nachweisen lassen.
Als Caya in das Zuhause von Frau S. zog, hat sich das Leben der Halterin verändern müssen. Diese Hündin ist stark traumatisiert. Eine Kontaktaufnahme erwies sich als äußerst schwierig. Frau S. konnte kaum die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Gefressen hat Caya nur heimlich und Gassierunden waren gar nicht möglich.
Frau S. hat alles Mögliche versucht, um eine Verbindung zu Caya aufzubauen, überhaupt herzustellen. Eines Tages entdeckte die Halterin, dass Caya Interesse an einem Ball zeigte. Dieses nutzte Frau S. und fing an, über den Ball an die Hündin heranzukommen.
Anfangs schien die Rechnung aufzugehen und Kaya reagierte immer auf die Einladung zum Spiel. Auch hat Frau S. so Caya auch vor die Tür bekommen, wenngleich sie doch voller Angst steckte.
Einige Wochen haben sie so gearbeitet und Frau S. war schon ganz glücklich, dass die Hündin vermeintlich auftaute und sie eine Kommunikationsebene fanden – so glaubte es zumindest die Halterin.
Kaya entwickelte sich zum Balljunkie.
Aber, dieses Interesse am Ball verstärkte sich derart, dass Caya eigentlich gar nichts mehr um sie herum wahrnahm, und ihre ganze Konzentration, ihre Aufmerksamkeit, ihren scheinbaren Lebenswillen, am Ball festmachte. Sie starrte nur noch. Zeigte kaum Reaktion. Guckte die Halterin nicht mehr an und wartete stundenlang darauf, dass der Ball flog. Hechelnd und oft zitternd wartete sie. Caya war nur noch angespannt, konnte überhaupt nicht mehr entspannen und schien jenseits von Gut und Böse zu sein. Sie reagierte überhaupt nicht mehr. Die Entwicklung zum Balljunkie war vollzogen.
Die Halterin holte sich Rat und Hilfe, denn sie sah ein: Hilfe, mein Hund ist ein Balljunkie! Aber nichts hat wirklich langfristig zu einer Besserung geführt. Und wie das eben so ist, haben 100 Menschen mindestens 90 Meinungen. Ein fataler Rat war dann auch, Caya einem Tierarzt vorzustellen, um sie unter Drogen zu setzen. So sage ich das jetzt mal. So bekam die Hündin Psychopharmaka und wurde somit „ruhig“ gestellt. Das Ergebnis können Sie sich bestimmt vorstellen.
Das Zusammenleben war nicht unbedingt das, was sich Frau S. erträumt hat und auch die Probleme, die sich mit einem Hund aus dem Tierschutz ergeben könnten, hat sie sich anders vorgestellt. Und einen Balljunkie, wie sich dann herausstellte, wollte sie aus Caya auch nicht machen.
Ich bin sehr froh darüber, dass eine Hundehalterin Frau S. den Tipp gab, mich doch einmal zu kontaktieren. Vielleicht könne ich ihr weiterhelfen.
So geschah es auch, dass Frau S. mich anrief und als ich von der Problematik hörte, war ich etwas erschrocken. Wir vereinbarten, dass ich beide besuchen käme, um mir Caya einmal vor Ort anzusehen und um mir auch ein reelles Bild von ihr machen zu können. Eines der größten Probleme sprach Frau s. an, als sie sagte: Hilfe, ich glaube, mein Hund ist ein Balljunkie.
Es war tatsächlich schlimm. Völlig willenlos und apathisch lag sie da. Nur der Ball konnte sie in irgendeiner Form zu einer Reaktion bringen. Allerdings war Caya dann so auf den Ball fixiert und hat tatsächlich nichts, aber auch wirklich nichts um sie herum wahrgenommen. Sie war geradezu süchtig nach dem Ball – ein Balljunkie.
Wir beschlossen, ich würde nun täglich kommen und wir würden arbeiten. Eine Woche lang habe ich mit der Halterin gearbeitet, ihr einiges natürlich über Nothunde erzählt, den Umgang mit ihnen und vor allem in der ersten Zeit.
Wir haben Rituale kreiert, Tagesabläufe getacktet. Haben die Medikamente ausschleichen lassen und sind mit Angelstühlen gerüstet, jeden Tag 2-5 Meter weiter mit der Hündin vom Haus entfernt „Gassi“ gegangen. Den Ball haben wir weg gelassen und anstelle des Balles einen Futterdummy eingesetzt. Die Arbeit mit diesem Dummy hatte zufolge, dass Kaya aus der Hand fraß und nicht mehr heimlich ihre Nahrung aufnehmen musste.
Nach einer Woche hatte Frau S. alles Handwerkzeug, so sage ich mal, in die Hand bekommen, um alleine weiterzuarbeiten. Sie hat mit Caya die Apportierarbeit begonnen und die beiden machen das mittlerweile richtig gut.
Natürlich haben wir auch etwas im häuslichen Umfeld verändert, den Schlafplatz neu geregelt und einen Rückzugsort für Caya geschaffen.
Ja, sicher, für Frau S. war das alles mit hohem Arbeitsaufwand verbunden. Alles neu, volle Konzentration und nochmal etwas „Hund“ lernen.
Nun habe ich die beiden besucht und wollte mal schauen, wie weit se gekommen sind, was sie erreicht haben und wie Kaya so drauf ist.
Na klar, sie wird nie eine ganz normale Hündin werden, angstfrei und selbstsicher. Aber, was Frau S. mit ihrer Hündin geschafft hat, hat mir ehrlich die Sprache verschlagen. Alles, was wir gemeinsam erarbeitet haben, hat sie umgesetzt. An allem gearbeitet und diszipliniert durchgesetzt. Als ich nun zu Besuch war, sind wir drei mit dem Auto in die Feldmark gefahren. Caya ist freudig ein-und ausgestiegen. An der Schleppseile ging es dann raus in die Natur, wo sie mir zeigten, dass Kaya sehr aufmerksam zusieht, wo Frau S. Dummys versteckt. Sie schaut ganz genau, wohin sie fliegen, sucht und setzt die Nase ein. Nach Kommando läuft sie los, Nase fast schon in der Erde und schnüffelt grunzend wie ein Schwein, ehrlich, die Spuren nach. Dummy für Dummy wird gebracht und als Belohnung bekommt sie ihr Futter.
Zuhause fraß die Hündin immer noch ungern. Darum schauten wir, was hier verändert werden muss und siehe da … Caya frisst nicht aus Schüsseln, sie möchte ihr Futter vom Boden nehmen. Bei einer Frischfütterung gar nicht so einfach. Für den Fall haben wir mal ganz normale Pappteller genommen und siehe da – es hat funktioniert. Ihr Wasser nimmt Caya nun auch nicht mehr nur draußen auf, sondern sie säuft nun aus einer ganz normalen, sehr flachen Plastikschüssel.
Die beiden sind also auf dem richtigen Weg und beginnen jetzt, eine Kommunikationsebene zu schaffen, auf der sich beide verstehen und lernen langsam, einander zu vertrauen.
Das war wirklich eine schlimme Situation. Caya war in einem so furchtbaren Zustand und Frau S. am Ende ihrer Kraft. Jetzt empfinden beide Freude, so scheint es mir und sie werden hoffentlich noch viele schöne und erfolgreiche Jahre miteinander verbringen.