Über Anfängerhunde und Hunde für jedermann
Anfängerhunde: Ich war auf Stimmenfang und habe mich ein wenig umgehört, bzw. „umgelesen“. Nach meinem gestrigen Beitrag, in dem ich schrieb, dass ich die Aussage, ein Rhodesian Ridgeback wäre kein Anfängerhund oder gar ein Hund für jedermann ablehne, hatte ich vermutet, ein wenig mehr Stimmen einfangen zu können.
Nochmal zum Beitrag: Ein Ridgeback nicht für jedermann?
Dem war aber nicht wirklich so. Dennoch las ich einen Kommentar dahingehend, dass ein Ridgeback tatsächlich für Anfänger nicht geeignet wäre, dagegen aber ein Golden Retriever und alle Gesellschaftshunde doch zu Anfängerhunden gehöre.
Gibt es sie wirklich, die Anfängerhunde und sind tatsächlich einige Rassen für jedermann geeignet?
Ich möchte nochmal meine Aussage untermauern, indem ich folgende Beispiele anfüge, die mithilfe von Ivonne Stürck, Tierpysiotherapeutin und Hundetrainerin, nun hier für Sie nachzulesen sind.
Zum Ende der Ausführungen, möchte ich nochmal ein klares Statement abgeben.
Aber bitte, lesen Sie zunächst einmal:
Charly:
Charly ist ein großer kräftiger Rüde, 5 Jahre alt. Frauchen kann mit ihm kaum Gassi gehen, weil er bei Hundebegegnungen – vor allem mit anderen Rüden – an der Leine aggressiv nach vorne geht. Der knapp 40 kg schwere Rüde ist dann von Frauchen gar nicht und selbst von Herrchen nur mit Mühe zu halten. Begegnet man Charly in der Nähe seines Grundstücks, wird man auch ohne Hund von ihm gestellt, angedroht und es folgen (derzeit noch) Scheinattacken. Daher müssen die Besitzer darauf achten, Charly bereits vor Verlassen des Hauses anzuleinen. Dies gelingt leider nicht immer… manchmal ist es nur mal eben der Weg zum Mülleimer und schon ist Charly schnell mit nach draußen geschlüpft … Die Situation ist so angespannt, dass Charly häufig tagelang nur in den keinen Garten kommt und auch eine Abgabe des Hundes des Öfteren Thema war und ist …
Princess (genannt Püppi):
Püppi ist eine stürmische Hündin, gerade 2 ½ Jahre alt. Wie viele Besitzer die Maus bereits hatte, ist unbekannt. Die Vorbesitzer mussten sie abgeben, weil Püppi einen kleineren Hund gebissen hat und sie daher ab diesem Zeitpunkt kein Vertrauen mehr zu ihrer Hündin hatten. Püppi ist also bei einer neuen Besitzerin. Diese war nun natürlich aufgrund der Vorgeschichte und dem, was sie von der Rasse bislang alles gehört hat, sehr vor- und umsichtig im Umgang mit Püppi. Es zeigte sich sehr schnell, dass Püppi sehr viel Temperament hat und mit Hunden ihrer Körpergröße hervorragend zurechtkam. Sie benahm sich hier eher unterwürfig und hatte nur eines in dem kleinen Köpfchen: Egal wie, Hauptsache spielen, toben und rennen. Bei genau so einem Spiel mit anderen Hunden passierte es dann: Püppi bemerkte während des Spielens eine kleine Gruppe Jack-Russel-Terrier … Sofort brach sie die Verfolgung ihrer besten Freundin ab und rannte stattdessen auf die kleinen Hunde zu. Frauchen geriet derart in Panik, dass sich ihre Stimme überschlug, sie anfing zu weinen und sie kaum dazu in der Lage war, Püppi zurückzurufen. Eines Eingreifens bedurfte es jedoch gar nicht. Püppi kam in die Richtung der Jackys geprescht, schmiss sich noch bevor sie diese erreichte auf den Boden und ließ die kleinen Jackys über sich rüberspringen und toben. Püppi war happy, begeistert, freundlich und unterwürfig.
Ben:
Ben ist ein Rüde, welcher leider in weitem Umkreis bekannt ist, weil er auch aufgrund seines Jagdtriebes ständig allein unterwegs ist. Mehr als ein Jäger hat bereits bemerkt, wenn er ihn noch einmal allein sieht, würde es Konsequenzen geben…. Ja sogar mit dem Abschuss des Hundes wurde gedroht, da Ben Wild jagt und wenn möglich auch erlegt. Mehrfach bereits ist er von einer seiner Jagdausflüge blutüberströmt heimgekehrt. Hinzu kommt, dass er andere Rüden angreift und diese auch bereits derart schwer verletzt hat, dass die vielen Wunden in der Tierklinik versorgt und genäht werden mussten.
Schauen wir uns die Geschichten also noch einmal etwas genauer an:
Wie war das mit dem Terroristen Charly? Möchte hier jemand einen Tipp abgeben, welcher Rasse Charly wohl angehört? Nein? Charly ist ein Golden Retrieverrüde. Die Besitzer haben vor ihm noch nie einen Hund besessen und sich das Ganze irgendwie leichter vorgestellt, denn der Golden Retriever ist doch ein Anfängerhund. Bei dem kann man ja nichts falsch machen…. Hmmm kann man nicht? Charly als Golden Retriever ist ein Arbeitshund. Ursprünglich wurde diese Rasse bei der Jagd genutzt, um erschossene Vögel, Enten etc. zu apportieren. Da Charly zudem ein recht triebiger Rüde ist, reichen ihm die 20 Minuten Gassigehen 3 x am Tag an kurzer Leine schlichtweg bei weitem nicht aus. Hinzukommt, dass Charly gemäß Besitzer schon immer schwul gewesen ist, denn er ist schon immer bei anderen Rüden aufgeritten…. Sich mit dem Thema Hundeerziehung oder Hundeverhalten auseinanderzusetzen, hatten die Besitzer nicht wirklich für notwendig erachtet…. Sie haben ja einen Anfängerhund, da braucht man das nicht…. Hier geht quasi alles von selbst….
Wie war das mit Püppi? Welche Rasse verbirgt sich hinter diesem Wirbelwind? Nun Püppi ist ein Rhodesian Ridgeback. Trotz ihrer Vorgeschichte und der vielen Hände, durch die die Maus bereits gegangen ist, ist sie eine ganz tolle Hündin. Wie es in der Vergangenheit zu dem Beißvorfall gekommen ist, kann heute leider nicht mehr nachvollzogen werden…. Ja aufgrund Püppis Verhalten steht sogar zur Frage, ob es diesen Vorfall tatsächlich gegeben hat, oder dieser nur als Vorwand genutzt wurde, die Hündin wieder abzugeben. Püppi vertraut ihrem neuen Frauchen total und diese Zwei haben sich zu einem tollen Team entwickelt. Frauchen lernt nun, ihrer Hündin auch etwas mehr zu vertrauen – dass die Vorsicht hier nicht gänzlich außer Acht gelassen wird, ist selbstverständlich. Frauchen hat sich Püppi angeschafft, weil sie Mitleid mit der armen Maus hatte. Obwohl sie vorher noch nie einen eigenen Hund hatte, hat sie sich an den Rhodesian Ridgeback getraut. Die zwei haben gemeinsam viel gelernt und sind gemeinsam gewachsen.
Kommen wir zu dem jagenden Ben … Rasse? Auch hier haben wir wieder den Golden Retriever … Die Besitzerin hatte schon immer Mischlinge. Als die letzte Hündin verstorben war, sollte ein einfacher nicht so anstrengender ruhiger Hund einziehen, denn Frauchen ist berufstätig und hat schlichtweg nicht viel Zeit für den Hund. Schon gar nicht braucht sie einen Hund, den man noch großartig erziehen muss, daher kam dann der Golden Retriever gerade recht. Auch Ben reichen aber die 40 Minuten an kurzer Leine morgens und abends nicht aus. Daher nutzt er jede sich bietende Gelegenheit, um auf die Jagd zu gehen oder seinen Frust bei anderen Hunden abzulassen.
Foto: Ivonne StürckAnfängerhunde. Es geht hier bei allen Geschichten immer um den Ruf der Rasse. Doch muss dieser Ruf nicht immer zutreffend sein. Australian Shepherds sind Arbeitstiere, die schon im Welpenalter massiv beschäftigt und ausgelastet werden müssen. Wer meinen, Ivonne Stürcks, Australian Sheperd Finn kennt, weiß dass er die Ruhe selbst ist. Möchte man einen Wachhund haben, muss man sich einen Deutschen Schäferhund zulegen. Schlägt ein Dackel etwa nicht an, wenn sich auf dem Grundstück etwas tut?
Dackel-Beagle-Mischlingshündin Daisy hat nicht selten schon vor meinem Deutschen Schäferhund Heiko gemeldet, wenn sich da was näherte. Wie viele meist ältere Damen sieht man mit ihren aufgehübschten Pudeln durch die Gegend laufen? Wurde der Pudel denn tatsächlich als solch ein Modepüppchen gezüchtet? Ist er nicht vielmehr ein Jagdhund, nein sogar ein Solitärjäger? Ein Golden Retriever wird immer als klassischer Anfängerhund bezeichnet. Doch gibt es den überhaupt? Was bedeutet es, wenn man sich einen Anfängerhund anschaffen möchte? Muss dieser nicht erzogen werden? Braucht er keinen Auslauf? Liegt er den ganzen Tag nur vor dem Kinderzimmer und wartet ruhig und geduldig darauf, dass ihn vielleicht mal jemand beachtet? Ist es bei ihm selbstverständlich, dass er sich mit Nachbarkatze genauso gut versteht wie mit den Hunden der Schwiegermutter?
Anfängerhunde. Fakt ist, jeder Hund, egal ob groß, klein, dick, dünn, ruhig oder temperamentvoll braucht die für ihn ganz individuell nötige Aufmerksamkeit. Hunde sind Rudeltiere und als solche versuchen sie, sich den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen und quasi das Beste aus der Situation zu machen. Ein Rottweiler oder Malinois kann von einem Hundeanfänger = Ersthundebesitzer genauso gut oder schlecht geführt werden wie ein Labrador Retriever oder ein Bernhardiner. Es kommt immer nur darauf an, wie viel Zeit und Mühe man in seinen vierbeinigen Partner investieren möchte. Ein Hinweis auf die zu erwartenden Bedürfnisse können die Vorbesitzer, die Besitzer der Elterntiere bzw. die Züchter geben. Des Weiteren ist entscheidend wie der Hund geprägt wird. Mit dem richtigen Einfühlungsvermögen und Geschick kann aus fast jedem Hund ein „Anfängerhund“ werden, unabhängig von Rasse oder Geschlecht.
Und nun nochmal ein klares Statement:
Nicht etwa eine Rasse sei kein Hund für jedermann … andersrum wird ein Schuh draus.
Es gibt keine Anfängerhunde. Es gibt Hunde mit bestimmten rassespezifischen Eigenschaften, Bedürfnissen – die gilt es berücksichtigen, anzunehmen und zu mögen …
In diesem Sinne
Birthe Thompson und Ivonne Stürck