Übersprungshandlungen – können Sie diese erkennen?
Immer wieder lesen wir von Übersprunghandlungen. Viele Verhaltensweisen von unseren oder auch fremden Hunden werden mit einer Übersprunghandlung erklärt.
Viele benutzen diesen Begriff ganz normal – als wäre es die normalste Sache der Welt, dass Hunde eben diese Übersprunghandlungen zeigen.
Und ja, klar, dieses Verhalten ist auch normal. Auch bei uns Menschen. Auch wir zeigen im Grunde täglich eine solche. Das banale „Sich – am – Kopf – kratzen“, ohne jeglichen Juckreiz oder an die Nase fassen, ohne dass sie juckt oder läuft … das Schultern nach hinten drücken … es gibt so viele Verhaltensweisen, die selbst wir zeigen – als Übersprunghandlung.
Manchmal allerdings muss ich schon lachen, wenn alles mit einer Übersprunghandlung erklärt wird und manchmal auch werde ich sauer, denn lesen wir im Netz darüber, wird dieses Verhalten zu oft an Beispielen von Schnappen oder Beißen erläutert. Dabei ist das Repertoire doch sehr viel größer …
Aber was ist das eigentlich? Die Übersprunghandlung ?
Die Definition des bedeutenden Ethologen Nikolaas Tinbergen lautet:
“Übersprungshandlung ist ein Verhalten als Ausdruck eines Konfliktes zwischen zwei Instinkten. Deswegen ist die Fortführung des zuvor beobachtbaren Instinktverhaltens zeitweise nicht möglich und stattdessen wird eine Verhaltensweise gezeigt, die aus einem völlig anderen Funktionskreis des Verhaltensrepertoires stammt.”
Übersprungshandlungen werden durch Konfliktsituationen ausgelöst. Dabei scheint das gerade gezeigte Verhalten absolut sinnlos oder auch sinnfrei. Aber – genau eine solche Handlung kann beruhigend sein und auch der Hund kann dadurch etwas Zeit gewinnen. Im Grunde ist eine solche Handlung eine Art Flucht aus einer Konfliktsituation.
Meistens erkennen Sie eine Übersprungshandlung daran, dass das Verhalten weder zu dem vorherigen passt, noch irgendwie ein folgendes erklärt. Die Übersprungshandlung scheint total aus dem Zusammenhang einer Aktions-oder Reaktionskette zu sein. Oft stehen wir da und schütteln den Kopf – wenn es (uns) dann überhaupt auffällt
Die sogenannte Übersprungshandlung kann zu jeder Gelegenheit, in verschiedenen Situationen und Gelegenheiten gezeigt werden.
Die meisten Hunde zeigen dieses Verhalten, wenn eine begonnene Aktion nicht erfolgreich zu werden scheint oder doch aussichtslos wird.
Bespiele für Übersprungshandlungen:
1. Bei unserem Zulu ist beispielsweise ein Übersprung oft deutlich zu erkennen.
Er sieht einen Hasen und will hinterher. Darf aber nicht und muss verweilen. Wird er dann losgelassen, ist sein erster Impuls natürlich: HINTERHER! Das ist aber erfolgslos und das wird ihm relativ schnell klar. Was daraus resultiert, ist eine Übersprungshandlung; er fängt sprunghaft an, zu graben, bis er wieder sein normales Level erreicht und entspannt weiter laufen kann.
Hier ist also ganz deutlich erkennbar, dass die so genannte Aktionsenergie in der Handlung : Jagen – in eine andere Handlung kanalisiert wird, nämlich : Buddeln, graben ….
2. Beispiel:
Sie verlassen das Haus – Ihr Hund ist davon gar nicht begeistert. Er möchte Ihnen folgen. Dieses ist aber aussichtslos, denn die Türen sind verschlossen.
Was kann passieren? Welche Übersprungshandlungen können eintreten?
1. Ihr Hund versucht diese „Ihnen-zu- Folgen“ – Energie in eine andere Handlung zu kanalisieren, nämlich beispielsweise in eine jagdliches– er räumt Ihre Couch ab und zerflettert Ihre Kissen, schüttelt sie „tot“ oder aber zerfetzt sein eigenes Hundebett.
2. Möglicherweise versucht er sich durch den Boden zu graben
3. weitere Beispiel:
Sie sind Besitzer eines kleinen Hundes. Ihnen kommt ein größerer fremder entgegen. Obwohl Sie wissen, dass Sie Ihren Hund nicht auf den Arm nehmen sollen, können Sie nicht aus Ihrer Haut und reißen Ihren Schatz hoch auf Ihren Arm, um ihn in Sicherheit vor dem nun bellend ankommenden Hund zu beschützen.
Ihr Hund ist aber aufgeregt und würde den Bello gerne seine Meinung kund tun – kommt aber nicht ran. Und weil er sehr gerne Bello in die Lefze zwicken würde, Sie ihn aber daran hindern, er also nicht an den fremden Hund heran kommt, bekommen nun Sie die Zähne Ihres Schützlings zu spüren.
Das heißt, er kam nicht an Bello ran, also entlädt sich sein Frust an Ihnen …
4. Die am meisten gezeigte Übersprungshandlung – Bellen
Ihr Hund hat ein Problem mit dem Postboten? (ja, ich weiß, wie abgeklatscht, ist jetzt aber am einfachsten, ich könnte auch den Jogger einsetzen …). Er darf aber den Postboten nicht erreichen, ihn verscheuchen, beißen, schnappen, zwicken …. Was macht Ihr Hund? Selten legt er sich sicher entspannt in seinen Korb (Ausgangssituation: Er hat ein Problem mit dem Postboten!), sondern er fängt an, zu bellen. Er bellt aus tiefster Seele!
5. Oft gesehenes Beispiel: Eine ganz andere, schon auch öfter zu sehende Übersprungshandlung kann auch ein Verlegenheitskratzen am Ohr sein. In der Begegnung sich fremder Hunde können Sie beobachten, dass ein Hund, der von einem anderen abgewiesen wird, also eine Kontaktaufnahme nicht weiter möglich ist, sich plötzlich absetzt und sich am Ohr kratzt. Etwas „überlegend, wie es nun weiter gehen soll“, schindet er etwas Zeit und flüchtet also aus der Situation, dass der ihn interessierende Hund nichts mit ihm zu tun haben will. Seine Aktionsenergie, nämlich Kontakt mit dem ihm fremden Hund aufzunehmen, vielleicht mit ihm zu spielen, ist direkt gehemmt. Nun kanalisiert er diese Energie in eine andere Handlung – hier dann das Kratzen am Ohr, Kopf … Pfoten lecken …
Achtung! Nicht jedes Ohrkratzen ist eine Übersprungshandlung. Jede Situation ist differenziert zu betrachten. Es kann auch ein Beschwichtigungssignal sein.
Und damit sind wir dann eigentlich auch schon bei einem anderen Thema. Denn nicht jede als Übersprungsverhalten gedeutete Situation ist auch eine solche Handlung, oft ist das Verhalten auch ein Beschwichtigungssignal.
Sie sehen, das Hundeverhalten ist sehr differenziert zu betrachten und Hund zu lernen, wahrscheinlich eine „universelle“ Lebensaufgabe.
Es gibt viele gezeigte Übersprungshandlungen von Hunden:
- Bellen (die meist gezeigte Übersprungshandlung)
- Urinieren
- Sich schütteln
- Aufreiten
- Scharren
- Umher rennen … und mehr.
Frage zur Selbstüberprüfung
Können Sie folgende Situation einschätzen?
Szenario:
Sie laufen mit Ihrem Hund an der Leine schnellen Schrittes auf einem ziemlich engen Weg. Ihnen kommt ein fremder Hund entgegen. Sie haben keine Möglichkeit einen Bogen zu laufen.
Sicher wissen Sie, dass Hunde niemals frontal aufeinander zulaufen …
Ihr Hund beginnt nun am Boden zu schnüffeln, die zufällig herumliegenden Kanichenköddel werden gefressen …
Was ist das?
1. Eine Übersprungshandlung?
2. Eine Beschwichtigungssignal?
Wie entscheiden Sie sich?
Über Antworten wäre ich nicht unglücklich.
Zusammenfassend:
Übersprungshandlungen sind eine ganz normale Verhaltensweise bei Mensch und Hund.
Oft können Sie Ihre Hunde aber aus bestimmten Situationen heraus holen, wenn Sie bereits Muster erkennen.
6 Kommentare
ich bin Hobby-Jäger und führe seit ca. 40 Jahren DD-Rüden ab 8-10 Monaten. Bilde sie in jagdlichen Gruppen aus. Prüfungen im oderen Drittel bestanden. Mein jetziger DD (der vierte heranwachsende mit jetzt fast 3 Jahren) macht mir Kummer. Er ist laut, will immer als erster drankommen, ist dominant dem alten 14-jährigen gegenüber, und wenn er den angreift und ich den Alten schützen will, bekam ich öfter einen kräftigen Biß in die Hand (ich greife also nicht mehr ein). Jetzt nahm ich ihn kurz, weil wir einem unbekannten Hund (Art: Berner Sennenhund) begegneten und er m.E. diese Rasse (etwa gleichgewichtig) offenbar nicht mag. Er knurrte und gab böse Laute von sich als wir auf gleicher Höhe waren. Ich drückte seinen Kopf mit dem rechten Knie vom anderen Hund weg (um die Blickrichtung zu ändern) und bekam einen kräftigen Biß in den rechten Oberschenkel (Vier Fangzähne plus etwas Schneidezähne). Ich deute das als Übersprungshandlung weil er den anderen Hund nicht angreifen durfte. Daß er mich beißen wollte, glaube ich nicht. (mein mir vertrauter Züchter des alten Hundes sagt zusammenfassend: Nervenschwach, nimm 4 mm Schrot…) Aber ich ziere mich. Kann doch diesen Hund nicht in andere Hände geben (zu gefahrvoll) selber kann ich mit den Bissen leben (die Jagdhaftpflicht aber wohl auf Dauer nicht). Er ist ein kräftiger ca 38 Kg schwerer Rüde, sein Wurfbruder ist 3. Bundessieger geworden…aber die Nervenschwäche wird nicht zurückgehen….Mit allen Vorgängern hatte ich es leichter, die taten mir seelenruhig jeden Gefallen und ein Traktor hätte vor ihren Pfoten vorbeirattern können…. Gibt es Hoffnung? Was tun?
Joaaaaaaaaaa …. das klingt für mich nach einem etwas längeren Telefonat.
Ich schreibe Sie per E-Mail an.
Nette Grüße
Birthe Thompson
Antwort auf Ihre Frage zur Selbstüberprüfung.
Es ist eine Bescheichtigungshandlung.
Lg
Ich sehe das Schnüffeln in dem Fall als Beschwichtigungssignal, rein aus eigener Erfahrung mit meiner Hündin. Ist sie unsicher, geht sie meist ins Schnüffeln über.
Unser Jerry ( Labradorrüde 2 Jahre alt) zeigt seit einer Weile folgendes Verhalten:
Wenn wir unsere Freunde auf dem Feld treffen ( manchmal gehen wir in einem Rudel von bis zu 6 Hunden gemeinsam spazieren), sind alle Hunde aufgeregt und begrüßen sich. Jerry nicht, er versucht den anderen Hunden zu entgehen und seit einer Weile sucht er Maiskolben und frisst diese komplett. Wenn kein Mais da ist, dann Gras oder ähnliches. Mittlerweile spuckt er regelmäßig den Mais oder setzt nur noch kot ab, der fast nur noch aus Mais und Gras besteht. Ich habe versucht ihm seinen Ball als Alternative anzubieten, klappt aber leider nicht mehr… Mittlerweile gehe ich mit meinen 2 Hunden ( sorry, Jerry Kumpel ist ein Malteserrüde) wieder alleine spazieren…
Das ist doch von Jerry eine übersprungshandlung weil die anderen Hunden ihm Stress machen, oder? Aber was soll ich tun. Falls ihr für mich einen Tip habt wäre ich euch echt dankbar.
Liebe Grüße
Kerstin Heer
Hallo Frau Heer,
bitte schauen Sie in Ihr E-Mail – Postfach. Ich habe Sie angeschrieben.
Nette Grüße
Birthe Thompson
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